Rote Fahne 24/2019
Wie weiter mit der Umweltbewegung?
Ausgehend von der Fridays-for-Future-Bewegung wird weltweit der inzwischen vierte Streik- und Kampftag zur Rettung der Umwelt und des Weltklimas am 29. November vorbereitet.
Beim letzten Mal, am 20. September, gingen allein in Deutschland 1,4 Millionen Menschen auf die Straße. Mit 6383 Aktionen mit mindestens sieben Millionen Menschen in 170 Ländern war dies die größte weltweite Umwelt-Massendemonstration in der Geschichte. In Betrieben und Gewerkschaften und in der jugendlich geprägten Umweltbewegung entfaltete sich die Diskussion über den gemeinsamen Kampf von Arbeiter- und Umweltbewegung, um Arbeitsplätze und Umweltschutz und um eine gesellschaftsverändernde Perspektive. Was hat sich seitdem getan? …
Die Bundesregierung ist mit ihrem im Oktober beschlossenen „Klimaschutz“gesetz als Tiger gesprungen – und als harmloses Schoßhündchen auf dem Bettvorleger der herrschenden Monopole gelandet. Es ist – angesichts der dringend notwendigen Sofortmaßnahmen für wirksamen Klima- und Umweltschutz – eine ökologische und soziale Provokation gegenüber den Millionen Menschen umfassenden Umwelt-Protesten. Mit einer CO2-Bepreisung oder -Steuer werden die Massen zur Kasse gebeten – und nicht die hauptverantwortlichen Klimakiller. Beim Endenergieverbrauch von 2558 Terawattstunden in Deutschland 2017 entfielen aber 741 auf die Industrie, 768 auf den Verkehr (zu einem großen Teil auch für die Industrie), 398 auf Gewerbe und Handel und nur 651 (25,4 Prozent) auf die Haushalte.1 Eine im Vorfeld von den Herrschenden entfachte Kampagne nimmt dagegen die internationalen Konzerne aus der Schusslinie. Sie suggeriert, dass „die Verbraucher“ schuld an allem seien und mit finanziellem Druck zu umweltbewusstem Verhalten gelenkt werden müssten. Der Biss ins Wurstbrot wird da schnell zum Umweltverbrechen. Zugleich werden kriminelle Manager wie der VW-Betrüger Martin Winterkorn oder die RAG mit ihrer Giftmüllverklappung untertage hinter dieser allgemeinen Konsumentenschelte versteckt gehalten.
Schamlos wird die Bereitschaft zu einem umweltbewussten Verhalten ausgenutzt. Auch die Bundestagsfraktion der Grünen schlägt in diese Kerbe und erklärt: Um „auf einen klimaverantwortlichen Entwicklungspfad um(zu)schwenken, brauchen wir … die richtigen Preissignale.“2 Einmal mehr machen sie deutlich, auf welcher Seite sie wirklich stehen. Vor diesen „grünen“ Preissignalen warnt Klaus Müller, Chef des Bundesverbands der Verbraucherzentralen: „Haushalte mit geringem und mittleren Einkommen werden – relativ zur Höhe ihres Einkommens – am stärksten belastet“.3 In Schleswig-Holstein fordern die Grünen dazu auf, eine Volksinitiative gegen Trinkwasser gefährdendes Fracking nicht zu unterstützen. Unter anderem wegen der Sorge, dass Unternehmen ihre bisher wohlgehüteten Geschäftsgeheimnisse aufdecken müssten. Und der grüne Ministerpräsident von Baden-Württemberg, Winfried Kretschmann, ist federführend bei der Monopol-Initiative „Autoschiene“, die für die kriminellen Automonopole noch mehr und maßgeschneiderte Subventionen fordert. Kein Wunder, dass die Grünen bei der Landtagswahl in Thüringen dafür eine berechtigte Abfuhr erhielten.
Umweltschutz auf Kosten der Profite
Die nüchterne Realität: Nicht ein einziges Gramm CO2 wurde mit dem bereits seit Jahren laufenden CO2-Emissionshandel reduziert. Und das wird es auch nicht durch das Klimagesetz der Bundesregierung. Die Bundesregierung produziert mit ihrem „Klimaschutz“gesetz sogar noch ein riesiges Subventionsprogramm für die Konzerne, vor allem der Autoindustrie, Bauindustrie und Energiewirtschaft. Diesen soll aus dem EKF („Energie- und Klimafonds der Bundesregierung“) eine dreistellige Milliardensumme in die Kassen gespült werden.4 Sie träumen davon, sich auf dem Weltmarkt bei der E-Mobilität gegenüber der enteilten Konkurrenz wieder nach vorne zu arbeiten. Bei der Wasserstoff-Technologie wollen sie gleich von Anfang die Weltmarktbeherrschung.
Fridays-for-Future ruft nun zum 29. November auf mit der Losung: „#NeustartKlima – laut, wütend und unbequem – Klimagerechtigkeit jetzt!“5 Wut ist sicher berechtigt. Sie muss sich aber gegen die wirklich Hauptverantwortlichen richten. So lange wie die Minderheit der Kapitalisten über die große Mehrheit der Ausgebeuteten und Unterdrückten herrscht und ihr Profit-Diktat über die ganze Gesellschaft verhängt, wird es keine Gerechtigkeit geben können – weder für das Klima, noch für die Umwelt, und erst recht nicht für die Ausgebeuteten und Unterdrückten. Die dringend notwendigen Sofortmaßnahmen im Umweltschutz können nur auf Kosten der Profite erkämpft werden.
Es ist deshalb ein Rückfall im zentralen Aufruf der FFF-Bewegung, dass nicht mehr auf einen gemeinsamen Streiktag der Arbeiter- und Umweltbewegung orientiert wird. Aktiver Widerstand ist nötig. Aber nicht von den Schülern und Studenten allein. Eine überlegene Kraft kann nur entstehen, wenn die Automobil-, Stahl-, Chemie-, Bergarbeiter usw. sich an die Spitze des Kampfs zur Rettung der Umwelt stellen und sich die rebellierende Jugendumweltbewegung eng mit ihnen verbindet – in Einheit mit dem Kampf gegen die angekündigte Vernichtung von Industriearbeitsplätzen. Die Arbeiterinnen und Arbeiter in den industriellen Großbetrieben stehen den internationalen Monopolen als Gegner direkt gegenüber. Die Betriebs- und Umweltgruppen der MLPD werden sich dafür starkmachen, dass sie am 29. November fester und starker Bestandteil des Protests werden.
Katastrophenalarm ist angesagt
Wir erleben Anfang Dezember mittlerweile die 25. Klimakonferenz, und es wird nach wie vor über „Fahrpläne“, „Absichtserklärungen“ und „Vorhaben“ diskutiert. Gleichzeitig stieg in der Realität der weltweite jährliche CO2-Ausstoß von 1990 bis heute von 22,18 Milliarden auf 36,15 Milliarden Tonnen und der Atmosphärenanteil von 354 ppm (parts per millionen – Teile auf Millionen) auf über 407 ppm. Im Interesse der Profite der Monopole wird an der Verbrennung fossiler Brennstoffe festgehalten. Dieser Crash-Kurs wird mit der Rechtsentwicklung vieler Regierungen auf der Welt noch weiter verschärft.
11 000 Wissenschaftler aus 153 Ländern warnen in einer am 5. November veröffentlichten Erklärung vor einem weltweiten „Klima-Notfall“. Der Menschheit stünde „nie dagewesenes Leid“ bevor, wenn sich nichts grundlegend ändert. Der Klima-Notfall ist schon eine Annäherung an den richtigen Begriff, den nämlich einer drohenden Umweltkatastrophe. Wobei bisher sogar oft nur von Klimawandel gesprochen wird, an den man sich auch noch „anpassen“ solle. Eine gefährliche Verharmlosung dessen, was auf die Menschheit zukommt. Zugleich wird das Problem einseitig auf das Klima reduziert und der drohende Katastrophencharakter weiter unterschätzt.
Die MLPD qualifizierte bereits 2014 treffend in ihrer fundierten Streitschrift „Katastrophenalarm! – Was tun gegen die mutwillige Zerstörung der Einheit von Mensch und Natur?“: „Immer mehr lokale und regionale ökologische Katastrophen drangsalieren die Menschheit. Sie kennzeichnen einen Prozess des beschleunigten Umschlags in eine globale Umweltkatastrophe.“ Die heraufziehende Weltklimakatastrophe ist nur ein umweltpolitisches Problem des ganzen menschheitsgefährdenden und umweltzerstörerischen Wegs des Imperialismus. Schon heute wirken noch acht weitere Hauptfaktoren – zwischen ihnen bestehen zusätzliche verstärkende Wechselwirkungen.6 Diese menschheitsbedrohende Entwicklung kann und muss gestoppt werden – aber wie?
Scharfe weltweite Polarisierung
Für immer mehr Menschen werden zwei sich entgegenstehende Pole deutlicher erkennbar:
* hier das kapitalistische Profitsystem mit seinem gesetzmäßigen Zwang zur rücksichtslosen Ausbeutung und Zerstörung von Mensch und Natur, um das chronisch überakkumulierte Kapital noch irgendwie Maximalprofit bringend zu verwerten;
* dort eine weltweite, wachsende, im Gegenwind erstarkende Massenbewegung für konsequenten Umweltschutz, mit der MLPD und der ICOR7 darin als gesellschaftsverändernder, revolutionärer Pol. Sie repräsentieren die sozialistische Alternative, um dem Übel der Umweltzerstörung radikal und konsequent an die Wurzel zu gehen.
Ein intensiver Klärungsprozess ist notwendig, um zu verstehen, dass diese beiden Pole unversöhnlich sind. Forderungen wie „System change – not climate change“ oder „burn capitalism, not the coal“8 bringen die wachsende Suche nach einem Ausweg aus dem zerstörerischen Kapitalismus zum Ausdruck. In einem sich entwickelnden Umweltbewusstsein rücken zunehmend auch die internationalen führenden Monopole ins Visier der Proteste. Für eine wirkliche Systemänderung muss der Kapitalismus mit seinen Gesetzmäßigkeiten revolutionär überwunden werden. Da schrillen bei den Herrschenden die Alarmglocken.
Imperialistischen Ökologismus bekämpfen
Auch angesichts einer seit Sommer 2018 eingeleiteten Weltwirtschaftskrise warnt Dieter Kempf, Präsident des Bundesverbands der Deutschen Industrie (BDI), in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung vor einem „Klimaeifer“, der „die Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Industrie“ gefährde … „Keiner sollte aus dem Klimaschutz eine Religion, einen Glaubenskrieg machen“.9 Aber an der Religion und dem Paradigma der Profitmaximierung für die Konkurrenzfähigkeit soll gefälligst nicht gerüttelt werden – koste es, was es wolle, auch wenn die Menschheit sehenden Auges und mutwillig zugrunde geht.
Ganz in diesem Sinne propagiert die im Juni erschienene BDI-Studie „Klimapfade für Deutschland“10 auch, Klimaziele nicht auf Kosten der Industrie anzustreben. Also den notwendigen konsequenten Umweltschutz händchenhaltend gerade mit den hauptverantwortlichen Umweltzerstörern erreichen? Umweltschutz höchstens, wenn er nicht auf Kosten der Profite geht? Gerade das beförderte die heraufziehende Klimakatastrophe, zu der die erwähnten 11 000 Forscher schreiben: „Sie ist schwerwiegender als gedacht und bedroht natürliche Ökosysteme und die Zukunft der Menschheit.“ Das könnte zu einer „katastrophalen ‚Treibhaus-Erde‘„ führen, „die nicht mehr von Menschen kontrollierbar ist“.
Der RWE-Konzern bleibt trotz einiger angehefteter „grüner Technologien“ einer der weltgrößten Klimakiller und sichert sich Kapazitäten im geplanten Flüssigerdgas(LNG)-Terminal in Brunsbüttel: Mit dreckigem Fracking-Erdgas aus den USA Milliarden verdienen und das als „Alternative zur Kohle“ verkaufen. Auch der BDI verfolgt in seiner Studie „den selektiven Einsatz aktuell unpopulärer Technologien wie Carbon-Capture-and-Storage“, sprich: nicht die Verminderung des CO2-Ausstoßes, sondern seine untertägige Speicherung. Frei nach dem Motto „Weiter so – aber nur woandershin“.
Umweltbewusst, gesellschaftsverändernd, revolutionär!
Zweifellos geht es auch um verschiedene individuelle Verhaltensänderungen, die jede und jeder selbst in der Hand hat. Diese alleine führen aber noch lange nicht zu dem notwendigen radikalen Paradigmenwechsel der ganzen Lebensweise der Menschheit, erklärt Stefan Engel, der Autor des Buchs „Katastrophenalarm! …“. „In einer kapitalistischen Gesellschaft ist das gar nicht möglich“, so Stefan Engel, der noch vor wenigen Wochen als einer der Spitzenkandidaten der Internationalistischen Liste / MLPD im Landtagswahlkampf in Thüringen aktiv war: „Die gegenwärtige Umweltkrise ist ein Produkt der monopolisierten Großindustrie und der heute verbreiteten kapitalistischen Lebensweise, die der Menschheit aufgezwungen wird. Das kann erst beseitigt werden, wenn wir eine neue, eine sozialistische Gesellschaft haben, in der tatsächlich der Mensch und der Schutz der natürlichen Welt im Mittelpunkt stehen.“ Nur so kann das in der FFF-Bewegung und von mehreren führenden Wissenschaftlern geforderte „komplette Umsteuern“ verwirklicht werden.
Sich am aktiven Widerstand zum wirksamen Umweltschutz zu beteiligen und dafür zu sorgen, dass der Umweltkampf einen tatsächlich gesellschaftsverändernden Charakter annimmt – das ist kein Widerspruch und die richtige und notwendige Schlussfolgerung aus der Situation. Der beste Platz und die richtige Entscheidung dafür ist, Mitglied der MLPD und des Jugendverbands REBELL zu werden – für konsequenten Umweltschutz mit einer konsequent antikapitalistischen Perspektive! So wie die Umweltgruppe Gelsenkirchen-Nord-Ost. Sie sammelt von Wohnungstür zu Wohnungstür und an Infoständen im Wohngebiet Unterschriften gegen die hochgiftige Öl-Pellet-Verbrennung durch den BP-Konzern. Gemeinsam mit anderen bereitet sie ein öffentliches Tribunal gegen die bewusst betriebene chronische Volksvergiftung vor. Dabei verzichtet sie natürlich nicht auf die grundsätzliche Kritik am Kapitalismus.
Diese Perspektive wollen verschiedene Vertreter bürgerlicher Kräfte, wie der Grünen oder von Campact in der Fridays-for-Future-Bewegung verhindern. Kläglich scheiterten jedoch die Versuche von liquidatorischen (zerstörerischen) Kräften, MLPD und REBELL auszugrenzen und hinauszusäubern. Ihnen war und ist im Zusammenspiel mit dem Staatsapparat und der Hetze des Geheimdienstes jedes schäbige und handgreifliche Mittel recht, um gerade die revolutionäre Gesellschaftsperspektive herauszuhalten. Sie beweisen damit, dass es ihnen weniger um die Umwelt geht, sondern vor allem um die Verteidigung der kapitalistischen Verhältnisse. Und um die eine oder andere Wählerstimme für die kapitalismuskonformen Grünen. Wer eine solche Spaltung und Unterdrückung im Interesse der Herrschenden betreibt, hat im Umweltkampf nichts zu suchen. Dieser Richtungskampf in der Fridays-for-Future-Bewegung muss ausgetragen werden, will sie nicht zu einem Anhängsel der Regierung und der internationalen Monopole werden – und scheitern.
Deswegen kommt es darauf an, zum 29. November breit zu mobilisieren und gemeinsame demokratische Vorbereitungstreffen durchzuführen. Zur Entwicklung der notwendigen weltanschaulichen Offenheit, solidarischen Streitkultur und demokratischer Strukturen ist es auch wichtig, die Hetze und Unterdrückung gegen die MLPD und andere revolutionäre Kräfte gemeinsam zurückzuweisen und das Demonstrations- und Versammlungsrecht auf antifaschistischer und demokratischer Grundlage zu verteidigen. Die ICOR ruft auf allen fünf Kontinenten zur breiten Beteiligung auf und begeht diesen Tag als ihren jährlichen Umweltkampftag.