ROTE FAHNE 26/2019

ROTE FAHNE 26/2019

„Die Partei“ vom satirischen Anspruch zum antikommunistischem Sinkflug

Respektlos gegenüber bürgerlichen Politikern und anderen fragwürdigen Autoritäten, frech, witzig oder albern, für jeden Spaß zu haben – Die Partei erscheint anders im üblichen Politikbetrieb, so sehen es viele. Aber nicht zum ersten Mal kam es jetzt in Herne zu nicht akzeptablen antikommunistischen Entgleisungen

Von Dirk Willing / Jörg Weidemann
„Die Partei“ vom satirischen Anspruch zum antikommunistischem Sinkflug
Eine Handvoll Hetzer des regionalen Ablegers von Die Partei mussten ihre dümmlichen Parolen einstellen und ihre Hetzplakate einpacken – ein Erfolg im Kampf gegen den Antikommunismus! Foto: RF

Seit ihrer Gründung 2004 hat Die Partei ein vergleichsweise langsames, aber kontinuierliches Wachstum. Wählerstimmen und Mitglieder vor allem unter der Jugend nahmen parallel zur Entwicklung der ökonomischen und politischen Krisen zu. Ein Prozent bei der Bundestagswahl 2017, zwei Abgeordnete im Europaparlament. In einigen Großstadtbezirken gewann sie unter Erstwählern bis zu neun Prozent und war vielfach die stimmenstärkste unter den „Sonstigen Parteien“.

In den Massenmedien meist als „Satire-Partei“ oder „Spaß-Partei“ bezeichnet, sieht man „Partei“-Mitglieder zum Teil auch bei antifaschistischen oder neuerdings Umweltprotesten.

„Die Partei“ spendete selbst 10 000 Euro an den Kurdischen Roten Halbmond, rief auf ihrer Webseite zu Spenden auf und konnte so nach eigenen Angaben inklusive staatlicher Parteien finanzierung weitere 250 000 Euro übergeben. Die bis zum Klamauk absurden Wahlkampfauftritte stehen in offensichtlichem Widerspruch zum kurzen Parteiprogramm mit einzelnen fortschrittlichen Forderungen.

Was ist Die Partei?

Das Gründungsdatum 2004 erinnert an die bis dato bedeutendste Krise im System der kleinbürgerlichen Denkweise als Regierungsmethode in Deutschland. Die Regierung Schröder/Fischer, auf die teils auch fortschrittliche Menschen Hoffnungen gesetzt hatten, schlitterte mit den Hartz-Gesetzen und dem Massenwiderstand dagegen in die offene politische Krise und wurde 2005 abgewählt.

Legendär wurde Gerhard Schröders Interview am Wahlabend, wo er die Abwahl einfach bestritt. „Partei“-Europaabgeordneter Nico Semsrott, im Hauptberuf Kabarettist, erklärte zu den Europawahlen: „Wenn Politiker nur noch Satire machen, müssen wir Satiriker wohl Poli­tik machen.“

Ist alles Satire?

Schon die Vorstellung, „die Politiker“ machten „nur noch Satire“, ist so naiv, dass man sie einem Berufskabarettisten kaum zutrauen möchte. Die tiefe Krise, in die der bürgerliche Parlamentarismus, seine Parteien und Institutionen zu Recht geraten sind, bringt – oberflächlich betrachtet – Kuriositäten und Lacher aller Art hervor. Aber wer vergisst, dass hinter der wohl meistbelachten Angela Merkel eine knallharte imperialistische Machtpolitikerin steckt, dürfte für den politischen Raum bereits hinreichend disqualifiziert sein.

Der Protest der „Partei“ ist eine kleinbürgerliche Reaktion auf diese Krise, die zwar einige Schwächen und Absurditäten aufdeckt, aber ihre Hintergründe nicht versteht oder verstehen will – und schon gar keine Alternative aufzeigt.

Die Fünf-Sterne-Bewegung in Italien oder der neue ukrainische Premier Wolodymyr Selenskyj zeigen, wie schnell ein komödiantischer „Protest“ in die Beteiligung an der kapitalistischen oder gar imperialistischen Regierungspolitik umschlägt, wenn ihm keinerlei positives Programm und keine Prinzipien zugrundeliegen.

Antikommunistische Exzesse

Bei einem nicht unerheblichen Teil der „Partei“-Mitglieder und -Funktionäre tritt diese reak­tionäre Seite inzwischen auch offen aggressiv und antikommunistisch zutage. Die auf die FDP gemünzte Kampagne der „Partei“, „Ostrenten runter“, dürften viele Arbeiter, Angestellte und Rentner kaum als satirisch verstanden haben, ist doch die andauernde Benachteiligung der ostdeutschen werktätigen Bevölkerung ein ernstes und reales Problem.

In Herne beteiligen sich Funktionäre des Kreisverbands Recklinghausen von Die Partei offen an einer aggressiven, antikommunistischen Spaltung des antifaschistischen Widerstands. Schon in der Vergangenheit traten sie mit „FCK MLPD“-Stickern – erinnernd an den bekannten Anti-AfD-Slogan – auf. Viel wichtiger als der gemeinsame Protest gegen teils wöchentlich aufmarschierende Faschisten ist Marcus Liedschulte die Attacke auf die MLPD. Er rief öffentlich zu einer Versammlung gegen einen sogenannten Höcke-Weispfenning-Pakt auf. Peter Weispfenning ist Mitglied im Zentralkomitee der MLPD und ein bekannter antifaschistischer Anwalt. Seine Kanzlei hat für das Internationalistische Bündnis gerichtlich erstritten, dass der Thüringer AfD-Chef Björn Höcke als das bezeichnet werden darf, was er ist: ein Faschist. Die unverschämte Gleichsetzung hat nichts mit Satire zu tun, sondern ist eine antikommunistische Entgleisung. So etwas bleibt auch nicht ohne Folgen. So wurde am 10. Dezember ein Fahnenträger der MLPD bei antifaschistischen Protesten ohne Vorwarnung mit der Faust ins Gesicht und niedergeschlagen. Leute wie Liedschulte reden solch einem Vorgehen das Wort mit ihrer Verfassungsschutzpropaganda im satirischen Mäntelchen. Und seit dieser Woche ruft Liedschulte auch offiziell zur Gewalt auf, wenn er fordert, nach Herne „für nächsten Dienstag die Liquidatoren aus Stuttgart bestellen“. Damit bezieht er sich auf eine Attacke, bei der einem Transparent-Träger der MLPD mit einer Sprühdose Farbe ins Gesicht gesprüht wurde.

Bisher war davon auszugehen, dass ein solches Vorgehen von der Mehrheit der „Partei“ abgelehnt wird. Ihr Vorsitzender Martin Sonneborn erklärte im Frühjahr 2019 ausdrücklich: „Kritik an der MLPD entspricht nicht der Linie der Partei. Inzwischen hat sich der Bundesgeschäftsführer von Die Partei, Martin Keller, offiziell hinter Liedschulte gestellt und dessen Entgleisung als „Satire“ verharmlost. Was sagen die Mitglieder und Anhänger dazu? Hier ist eine Positionierung gefragt.