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Der Streit um die allgemeinen und konkreten Ursachen der Weltwirtschaftskrise 2008

Wer nicht bereit oder in der Lage ist, den Kapitalismus als gesellschaftliches System infrage zu stellen – sei es aus antikommunistischer Ignoranz, sei es aus Opportunismus oder einfach, weil er in irgendeiner Form von seiner Existenz profitiert, wird den Ursachen dieser Krise nicht auf die Spur kommen.

Bundeskanzlerin Merkel gab sich in ihrer Neujahrsbotschaft entrüstet, dass „finanzielle Exzesse ohne soziales Verantwortungsbewusstsein, das Verlieren von Maß und Mitte mancher Banker und Manager … die Welt in diese Krise geführt“ haben.9 Hat ihre Regierung nicht mit ihrer Politik der Umverteilung zugunsten der Monopole und zulasten der ganzen Gesellschaft zur hemmungslosen Entfaltung der Profit- und Machtgier der Banker und Manager maßgeblich beigetragen? Haben sich die Regierungen Schröder und Merkel auch nur einen Deut besser verhalten als die jetzt von ihnen gescholtenen Banker und Manager? Wo waren denn „Maß und Mitte“, als die bürgerlichen Parteien die Hartz-Gesetze auf den Weg brachten, Leiharbeit und Niedrigstlöhne forcierten und damit Millionen Arbeitslose in Armut und Verelendung schickten? Wo war ihr „soziales Verantwortungsbewusstsein“, als ihre Regierung die „Gesundheitsreform“ beschloss, die Millionen von Menschen mit niedrigem Einkommen von einer optimalen Gesundheitsversorgung ausschließt, während sie den Monopolen der Pharmaindustrie, der medizinischen Geräteindustrie und den kapitalistischen Betreibern von Krankenhäusern Milliarden-Profite garantiert? War es nicht die Schröder/Fischer-Regierung, die mit der „Riesterrente“ die abhängig Beschäftigten per Gesetz gezwungen hat, einen immer größeren Teil ihrer Alterssicherung privat über den Kapitalmarkt und auf spekulativer Basis zu finanzieren? Hat nicht sie den Kommunen hochriskante und hochspekulative Geschäfte wie das Cross-Boarder-Leasing in großem Umfang empfohlen?

Jetzt, wo jeder, der etwas auf sich hält, über die verantwortungslosen Spekulanten schimpft, da gehört es selbst in der bürgerlichen Medienwelt und umso mehr für die Riege der „Volksvertreter“ zum guten Ton, in das Horn der sozialen Entrüstung zu blasen. Woher allerdings diese beispiellose Weltwirtschafts- und Finanzkrise gekommen ist, wird dadurch nicht geklärt. Vielmehr lenkt diese Argumentation den Blick auf das – zweifellos nicht infrage zu stellende – subjektive Versagen von Bankern und Managern. Vom Wesentlichen, den Gesetzmäßigkeiten der kapitalistischen Produktionsweise, wird so abgelenkt. Diese zwingen jedem Kapitalisten, ob Fabrikbesitzer oder Manager einer Aktiengesellschaft, ganz gleich, ob privat oder staatlich, das Gesetz des Handelns auf – bei Strafe seines Untergangs.

Da offensichtlich die gesamte Industrie- und Bankenwelt in die Krise verwickelt wurde, muss – nach der Logik der Kanzlerin – doch die ganze Schicht von Bankern und Managern gleichermaßen versagt haben. Da die meisten kapitalistischen Länder in die Weltwirtschafts- und Finanzkrise involviert sind, muss es doch zumindest der wesentliche Teil der bürgerlichen Regierungen verantworten, dass diese Banker und Manager derart rücksichtslos und profitgierig schalten und walten konnten. Was als oberflächliche Ursachenfindung der Kanzlerin gemeint war, gerät unversehens zur schallenden Ohrfeige für die Herrschenden und ihre Geschäftsführer in den Regierungen, in den Verwaltungen der Industrie und Bankmonopole.

Bundesfinanzminister Steinbrück von der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands (SPD) macht die „spekulative Zügellosigkeit“10 der Finanzmanager für das Desaster der Weltwirtschafts- und Finanzkrise verantwortlich. Tatsächlich führte das Platzen einer gigantischen Spekulationsblase zu einer Weltfinanzkrise, die wiederum konkreter Auslöser für die Weltwirtschaftskrise wurde. War die Spekulation deshalb Ursache der Weltwirtschafts- und Finanzkrise? Karl Marx wies bereits 1850 auf den grundlegenden Zusammenhang der Spekulation mit der Auslösung einer Wirtschaftskrise hin:

„Die Spekulation tritt regelmäßig ein in den Perioden, wo die Überproduktion schon in vollem Gange ist. Sie liefert der Überproduktion ihre momentanen Abzugskanäle, während sie eben dadurch das Hereinbrechen der Krise beschleunigt und ihre Wucht vermehrt. Die Krise selbst bricht zuerst aus auf dem Gebiet der Spekulation und bemächtigt sich erst später der Produktion. Nicht die Überproduktion, sondern die Überspekulation, die selbst nur ein Symptom der Überproduktion ist, erscheint daher der oberflächlichen Betrachtung als Ursache der Krise.“ (Marx/Engels, Werke, Bd.7, S.421)

Für Oskar Lafontaine, einer der beiden Vorsitzenden der Linkspartei und exponierter Vertreter der linkssozialdemokratischen Reformpolitik der vergangenen Jahrzehnte, hat dagegen der blinde Glaube der Bundesregierung an die „Alltagsreligion“ des „Neoliberalismus … zu der heutigen Krise geführt“.11 Sicherlich war der Neoliberalismus mit seiner Leitlinie „Privat vor Staat“ eine der kapitalistischen Leitlinien in der Neuorganisation der internationalen Produktion. Doch die Welle neoliberaler Methoden hat einen solchen Tsunami an Problemen erzeugt, dass inzwischen der Staat als Krisenmanager derart aktiv in die Wirtschafts- und Finanzwelt eingreift, dass allen neoliberalen Apologeten*** die Luft wegbleiben muss. Wo sind sie geblieben, die Prediger der hehren Maximen des Neoliberalismus! Da ist nur noch staatliche Feuerwehr, um das Schlimmste zu vermeiden! Ist denn mit der Explosion staatlicher Interventionen die auf die Erzielung von Maximalprofiten ausgerichtete Profitwirtschaft auch nur im geringsten außer Kraft gesetzt? Eine solche Annahme wäre zutiefst naiv oder böswillig, weil sie den Massen Sand in die Augen streut. Nach der staatlichen Übernahme von 25 Prozent an der Commerzbank beeilten sich die staatlich bestellten neuen Aufsichtsratsmitglieder, jeglicher unternehmerischer Einflussnahme eilfertig abzuschwören.

Für die Europaabgeordnete der Linkspartei, Sahra Wagenknecht, ist der „schnellste Weg, die Wirtschaft auf Trab zu bringen … ohne Frage eine radikale Umverteilung der Einkommen und Vermögen von oben nach unten. Dann würde sich das Nachfrageproblem von selbst erledigen“.12 Offensichtlich wurde die Vorzeige-Marxistin der Linkspartei bei ihrem Politikstudium an bürgerlichen Universitäten allzu sehr von unmarxistischen Theorien beeinflusst, die Friedrich Engels in seiner Auseinandersetzung mit Eugen Dühring im Jahr 1878 bereits restlos zerpflückt hat:

„Die Unterkonsumtion der Massen ist eine notwendige Bedingung aller auf Ausbeutung beruhenden Gesellschaftsformen, also auch der kapitalistischen; aber erst die kapitalistische Form der Produktion bringt es zu Krisen. Die Unterkonsumtion der Massen ist also auch eine Vorbedingung der Krisen und spielt in ihnen eine längst anerkannte Rolle; aber sie sagt uns ebensowenig über die Ursachen des heutigen Daseins der Krisen, wie über die ihrer frühern Abwesenheit.“ (Marx/Engels, Werke, Bd.20, S.266)

Auch ökonomisch ist die Theorie von Frau Wagenknecht unsinnig, da der private Konsum nur einen geringen Teil der Höhen und Tiefen des wirtschaftlichen Wachstums der letzten Jahre ausmachte. Die wirtschaftliche Belebung beruhte vor allem auf einem Höhenflug des Exports an Investitionsgütern, während der private Konsum im Inland weitgehend stagnierte bzw. zurückging. Umgekehrt ging mit dem Einbruch der Weltwirtschaftskrise der private Konsum zunächst nur geringfügig zurück. Eingebrochen ist zunächst der weltweite Markt an Produktionsgütern und Rohstoffen.

Die Illusion von einem Kapitalismus ohne Ausbeutung und Krisen – das ist das idealistische Wesen der illusionären „Kaufkrafttheorie“ der reformistischen Linken. Das offen bürgerliche Gegenstück dazu ist die von Monopolmanagern wie dem Opel/GM-Europa-Chef Forster vertretene Auffassung, die Krise wäre zu vermeiden bzw. zu lösen, indem man „Überkapazitäten“ in der Wirtschaft abbaut oder vermeidet. Forsters Forderung nach Abbau von „Überkapazitäten“ ist die demagogische Fiktion eines Kapitalismus ohne Akkumulation und ohne Konkurrenz. Gerade aus dem Munde eines Konzernchefs ist es ein durchsichtiger pseudowissenschaftlicher Versuch, die bevorstehende massenhafte Vernichtung von Arbeitsplätzen, Stilllegungen und Entlassungen zu rechtfertigen.

Alle bürgerlichen und kleinbürgerlichen Theorien über die Ursachen der jetzigen Weltwirtschaftskrise bedienen sich einer empiristischen bzw. eklektizistischen Methode. Sie greifen einzelne Seiten der marxistisch-leninistischen Krisentheorie heraus und wenden sie auf diese oder jene Erscheinung der Krise richtig an – um das Wesen und den allseitigen Gehalt der Politischen Ökonomie des Marxismus-Leninismus zu verfälschen oder weit von sich zu weisen.

Wenn die Kapitalisten „ohne Maß und soziale Verantwortung“ handeln, dann nicht einfach aus bösem Willen. Der Kapitalismus kann nur existieren, indem er ständig Kapital akkumuliert. Das bringt entsprechend bösartige und abstoßende Verhaltensweisen zwangsläufig, allerdings mehr als Randerscheinung, mit sich. Das Wachstum des Kapitals beruht wesentlich auf der wachsenden Ausbeutung der Lohnarbeit durch die Aneignung unbezahlter Mehrarbeit. Das Gesetz der Konkurrenz zwingt die Kapitalisten, die lebendige Arbeit produktiver zu machen und durch Maschinen zu ersetzen. Diese höhere organische Zusammensetzung des Kapitals führt zwar zu Einsparungen bei den Löhnen und gesteigerter Ausbeutung der Arbeiter, während die Summe der unbezahlten Mehrarbeit wächst. Sie bedeutet aber zugleich, dass mehr Kapital für Investitionen in Maschinen angelegt werden muss. Dadurch verschlechtert sich das Verhältnis von eingesetztem Kapital und erzieltem Profit. Um diesem tendenziellen Fall der Profitrate entgegenzuwirken, müssen die Kapitalisten die Profitmasse steigern, indem sie die Produktion als Ganzes ausdehnen und immer mehr Arbeiter in die Lohnarbeit einbeziehen bzw. ihre lebendige Arbeitszeit fortwährend ausdehnen. Gelingt das nicht, weil zum Beispiel von den stagnierenden Märkten die gesteigerte Warenflut nicht mehr aufgenommen werden kann, kommt es zu Überproduktionskrisen und anderen Erscheinungen der Überproduktion des Kapitals. Nach Marx erscheint der tendenzielle Fall der Profitrate, den er als das Krisengesetz des Kapitalismus bezeichnet, „als bedrohlich für die Entwicklung des kapitalistischen Produktionsprozesses; er befördert Überproduktion, Spekulation, Krisen, überflüssiges Kapital neben überflüssiger Bevölkerung.“ (Marx/Engels, Werke, Bd.25, S.252 – Hervorhebung S.E.)

Wer die kapitalistischen Krisen abschaffen will, darf nicht an ihren Symptomen herumdoktern, sondern muss den Kapitalismus abschaffen und den Sozialismus errichten! Das ist die Grundauffassung von Karl Marx, von der die Theoretiker der Linkspartei nicht mehr viel wissen wollen.

In dem Prozess der Neuorganisation der internationalen Produktion haben sich die 500 größten Übermonopole den kapitalistischen Weltmarkt und die kapitalistische Weltproduktion unterworfen. Das ökonomische Grundgesetz des modernen Kapitalismus ist heute die Eroberung und Verteidigung einer beherrschenden Stellung auf dem Weltmarkt zwecks Sicherung des Maximalprofits. Eine Folge war die riesige Aufblähung des Eigenkapitals der 500 größten Übermonopole von 3,2 Billionen US-Dollar 1994 auf 11,1 Billionen 2007. In diesem Zeitraum steigerten sie selbst nach offiziellen Angaben ihre Gewinne von 282 Milliarden US-Dollar auf 1593 Milliarden US-Dollar, um fast das Sechsfache. Diese Entwicklung führte zu einer chronischen Überakkumulation des Kapitals, weil die Märkte mit dem Wachstum des Kapitals nicht mithielten. Das bedeutet die chronische Unmöglichkeit, das akkumulierte Kapital im Rahmen des spontanen Kreislaufs von Produktion und Reproduktion maximalprofitbringend zu verwerten. Der schreiende Gegensatz zwischen wachsender Produktivität und völliger Unfähigkeit beziehungsweise Desinteresse der Kapitalisten, sie zum Nutzen der Menschheit einzusetzen, kennzeichnet die außerordentliche Fäulnis und Zersetzung der imperialistischen Produktionsweise.

Solange sich der Kapitalismus leicht in die Breite entwickeln konnte, indem er immer mehr Länder in die kapitalistische Produktionsweise einbezog und auf diese Weise neue Märkte erschloss, konnte er die Lösung der ihm eigenen inneren Widersprüche immer wieder hinausschieben. Dieser historische Prozess neigt sich tendenziell seinem Ende zu, weil jede neue Ausdehnung des Marktes von der Produktion rasch überholt wird, und weil der inzwischen vollendete Weltmarkt sich nun ebenso sehr als eine Schranke erweist wie früher die beschränkten nationalen Märkte.

Diese neue Stufe der imperialistischen Entwicklung fassten wir in dem Buch „Götterdämmerung über der ‚neuen Weltordnung‘“ so zusammen: „Der Imperialismus stößt an eine relative historische Grenze, die er nicht überwinden kann.“ (S.576)

Die chronische Überakkumulation des Kapitals hatte eine Reihe bedeutender Folgen, die die gesamte künftige kapitalistische Produktionsweise prägen werden:

Erstens führte sie zu einer chronischen internationalen Strukturkrise auf der Basis der Neuorganisation der internationalen Produktion. Immer mehr Kapital muss permanent vernichtet werden, damit der Produktions- und Reproduktionsprozess überhaupt noch funktioniert. Es ist ein verbreiteter Irrtum, dass während der ganzen Zeit der Neuorganisation der internationalen Produktion der Neoliberalismus, sprich das Heraushalten von Staatsaktivitäten aus der Wirtschaft, vorgeherrscht habe. Der ganze Prozess der Neuorganisation der internationalen Produktion wäre ohne das ständige staatliche Krisenmanagement unmöglich gewesen. Den kapitalistischen und imperialistischen Regierungen fiel die Rolle zu, als Dienstleister „ihrer“ ansässigen Übermonopole tätig zu werden, sei es um die Rahmenbedingungen der monopolistischen Investitionstätigkeit bzw. Konkurrenz zu finanzieren, die entsprechenden Gesetze und Vereinbarungen auf nationaler und internationaler Ebene auf den Weg zu bringen oder einfach um deren Expansion in andere Länder zu unterstützen und die Kosten dieser „Dienstleistungen“ auf die Massen ihrer jeweiligen Länder abzuwälzen.

Der wachsende staatliche Anteil am Reproduktionsprozess des monopolistischen Kapitals und die Vergesellschaftung der Lasten der permanenten Kapitalvernichtung bedeuten objektiv den Prozess der zunehmenden Vergesellschaftung der Akkumulation im internationalen Maßstab. Dies stellt eine bedeutende materielle Voraussetzung für die Verwirklichung der vereinigten sozialistischen Staaten der Welt dar.

Zweitens: Die gigantische Aufblähung der Spekulation hat spätestens mit der Neuorganisation der internationalen Produktion eine dominierende Rolle in der Weltwirtschaft eingenommen. Sie ist zu einem notwendigen, das heißt allgemeingültigen Bestandteil der Maximalprofit erheischenden Kapitalverwertung geworden. In den letzten Jahren ist das spekulative Kapital geradezu explodiert. Der internationale Finanzsektor wuchs etwa fünfmal so schnell wie die Produktion. 2007 lag das weltweite Finanzvolumen – die Gesamtheit aller Kredite, Finanzprodukte, Devisenmärkte etc. – bei 2,3 Billiarden Euro. Das entspricht dem 65-fachen Wert des realen Weltsozialprodukts.13 In dem Maß, wie aufgrund der chronischen Überakkumulation des Kapitals die Möglichkeit für die Erzielung von Maximalprofiten im industriellen Produktions- und Reproduktionsprozess eingeschränkt wird, versuchen die internationalen Monopole immer mehr, mit ihrem überschüssigen Kapital auf den internationalen Finanzmärkten zu spekulieren, um auf diese Art und Weise Maximalprofite zu erzielen. Das führt in regelmäßigen Abständen, auch außerhalb von zyklischen Überproduktionskrisen, zum verheerenden Platzen der Spekulationsblasen und wirbelt jeweils die ganze bürgerliche Finanzwelt durcheinander. Das erhöht die allgemeine Labilität des bürgerlichen Finanzwesens erheblich.

Die kleinbürgerlichen Krisentheoretiker von „Attac“ erklären die Erscheinung der überbordenden Spekulation allerdings ganz anders: „Die Finanzmärkte haben sich verselbständigt.“14 Demnach hätte sich das spekulative Kapital abgenabelt von der realen Produktion als Quelle des Mehrwerts und der Profitmasse und man könne unterscheiden zwischen der „akzeptablen“ kapitalistischen Realwirtschaft und der inakzeptablen Spekulation. Das Platzen der Spekulationsblase zeigt jedoch, dass die Spekulation in der realen Überproduktion von Kapital wurzelt, für die sie zwar zeitweilig Abflusskanäle liefert, von der sie sich nur zeitweilig und nicht straflos freimachen kann. Die Spekulation bringt keinen realen Wertzuwachs hervor, sondern ist selbst nur die Vorwegnahme eines künftigen Profits. Mehrwert kann nur durch die Ausbeutung der Lohnarbeit, also die Ausbeutung lebendiger Arbeitskraft erzeugt werden. Der Spekulationsprofit ist also ein reiner „Raubprofit“, der über die verschiedenen Formen der Börsenspekulation zwischen den Kapitalanteilseignern lediglich umverteilt wird.

Die Spekulation ist inzwischen in alle gesellschaftlichen Bereiche der Produktion, des Handels und des Lebens eingedrungen. Immer mehr Verschachtelungen und Formen des fiktiven Kapitals wurden ausgetüftelt, um die Spekulation weiterzutreiben und das Platzen der Spekulationsblase hinauszuzögern. So haben immer mehr Industriemonopole Banken eröffnet, um sich unmittelbar an diesen Spekulationsgeschäften zu bereichern. Eine Form der Spekulation beförderte auch, dass produktive Investitionen spekulativ ausgedehnt werden, oft weit über die Möglichkeiten zur Realisierung von Maximalprofiten durch den Verkauf der Waren hinaus. Mit dem Beginn der Weltwirtschaftskrise stellten zum Beispiel die internationalen Automobilmonopole „Überkapazitäten“ von 39 Millionen Autos weltweit fest.

Inzwischen dominiert das spekulative Kapital mehr und mehr auch alle Bereiche der Daseinsfürsorge und der Produktion und Reproduktion des unmittelbaren Lebens. Güter des elementaren Lebens wie Weizen, Reis, Wasser, Gesundheit, Bildung, Energie, Sozialversicherung etc. wurden zum Gegenstand der Spekulation. Als sich das spekulative Kapital 2007/2008 zeitweilig im Rohstoff- und Lebensmittelbereich konzentrierte, führte das zu einem solchen weltweiten Preisauftrieb, dass sich die Ärmsten in den vom Imperialismus ausgebeuteten Ländern diese Nahrungsmittel nicht mehr kaufen konnten. Es kam im Frühjahr 2008 in elf Ländern zu Hungeraufständen, an denen sich zwei bis drei Millionen Menschen beteiligten.

Drittens: Die allgemeine Krisenanfälligkeit der kapitalistischen Weltwirtschaft nimmt zu, was sich insbesondere in der Tendenz zur Verkürzung des Krisenzyklus und zur Verlängerung der Krisendauer bzw. der nachfolgenden Depressionsphase ausdrückt. So hat sich die Dauer des Krisenzyklus seit der letzten Weltwirtschaftskrise 2001–2003 von vorher 10 Jahren auf 7,5 Jahre verkürzt. (siehe Schaubilder zur Industrieproduktion und zum Bruttoinlandsprodukt in den Krisenzyklen 1980–1990, 1990–2000, 2000–2008 in den USA, Japan, Deutschland)

Viertens: Das allgemeine Krisenmanagement wird zu den vornehmsten ökonomischen Aufgaben des Staates. Dabei sind die jetzt getroffenen Maßnahmen zur Dämpfung mittelfristig gesehen allesamt Pulverfässer! Die Milliarden umfassenden „Schutzschirme“ für Banken und Konzerne lassen die Staatsverschuldung explodieren. Nach kapitalistischer Logik können sie nur durch eine neue Welle der Umverteilung von unten nach oben zurückgezahlt werden. Das wird alle sozialen Errungenschaften infrage stellen. Wiederholt wurde in bürgerlichen Kreisen schon über den „erheblich zu hohen Hartz-IV-Satz“ diskutiert. Die den Monopolen geschenkte Kurzarbeit wird die Rücklagen der Bundesanstalt für Arbeit auffressen und durch die sinkende Bruttolohnsumme zu Rentensenkungen führen. Die Sozialversicherungssysteme werden infolge des sprunghaften Anstiegs der Massenarbeitslosigkeit kollabieren. Die derzeitige Krise kann nur um den Preis der Vorbereitung neuer, umfassenderer und tieferer Krisen bewältigt werden. Dabei ist das staatliche Krisenmanagement selbst spekulativ und setzt darauf, dass die umfassenden staatlichen Bürgschaften und Garantien an Banken und Konzerne möglichst ohne Verlust erhalten bleiben.

Fünftens: Die gegenwärtige Weltwirtschafts- und Finanzkrise hat eine in der Geschichte des Kapitalismus einmalige Dimension. In ihr kulminieren diese Faktoren der Überakkumulation des Kapitals zu einem allgemeinen Zusammenbruch des herkömmlichen Weltfinanzgefüges und des weltweiten Produktions- und Reproduktionsprozesses. Das staatliche Krisenmanagement überträgt die allgemeine Krisenanfälligkeit der imperialistischen Weltwirtschaft auf die Staatshaushalte und erzeugt die chronische Gefahr eines allgemeinen Staatsbankrotts.

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