Interview mit Gabi Fechtner

Interview mit Gabi Fechtner

Die MLPD erkämpft in bewegten Zeiten ihre gesamtgesellschaftliche Rolle

Die Rote Fahne-Redaktion sprach mit der Vorsitzenden der Marxistisch-Leninistischen Partei Deutschlands (MLPD), Gabi Fechtner, über aktuelle Entwicklungen in der Ausgangslage, im Klassenkampf und wie die MLPD in diesen bewegten Zeiten ihre gesamtgesellschaftliche Rolle erkämpft.

Die MLPD erkämpft in bewegten Zeiten ihre gesamtgesellschaftliche Rolle
Gabi Fechtner

Wieso hört man in den bürgerlichen Medien auf einmal fast im Wochentakt von Aktivitäten der MLPD?

Das ist tatsächlich etwas Neues und geht auf objektive und subjektive Faktoren zurück. Objektiv verschärft sich an allen Fronten die Krisenhaftigkeit des imperia­listischen Weltsystems. Die Vertrauens­krise in die bürgerliche Politik vertieft sich. Die MLPD wird an immer mehr Brennpunkten von Freund und Feind als ernst zu nehmender oder gar prägender Akteur wahrgenommen. Das geschieht mitten in einer heftigen gesellschaftlichen Polarisierung. Im fortschrittlichen Stimmungsumschwung entwickelt sich eine antikapitalistische Tendenz unter der Arbeiterklasse und den breiten Massen. Das ist auch Ergebnis der jahrzehntelangen bewusstseinsbildenden, systematischen Kleinarbeit der MLPD. Dem begegnen die Herrschenden mit einer Offensive des modernen Antikommunis­mus, der staatlichen Repression und Aufwertung faschistoider Kräfte beziehungsweise der Faschisten. Diese Entwicklung führte zu einer Kulmination1 in der Entwicklung der gesamtgesellschaftlichen Bedeutung der MLPD. Brennpunkte dabei sind die Fridays-for-Future-Bewegung, der Kampf der Bergleute gegen die Politik der verbrannten Erde des Bergbaukonzerns RAG, die Initiative um ein würdiges Thälmann-Gedenken im Kampf gegen den modernen Antikommunismus, die proletarische Flüchtlingspolitik, der antifaschistische Kampf wie gegen den Faschisten Björn Höcke (AfD) oder gegen die NPD, die prägende Rolle in der internationalen Kampagne „Hände weg von Rojava!“ oder unsere taktische Offensive zur Landtagswahl in Thüringen. Die MLPD ist in der gesellschaftlichen Polarisierung der klare, inzwischen unübersehbare revolutionäre, klassenkämpferische und konsequent ökologische Pol.

Der beschleunigte Übergang in die globale Umweltkatastrophe, in eine neue Weltwirtschaftskrise, verschiedene Strukturkrisen, die Krise der bürgerlichen Ideologie, die Krise der bürgerlichen Fami­lienordnung, die Rechtsentwicklung der Regierung und der bürgerlichen Parteien und die Vertrauenskrise in die bürgerliche Politik: All das setzt für immer mehr Menschen die Frage nach einer gesellschaftlichen Alternative auf die Tagesordnung. Das staatstragende Verhalten der Linkspartei, ihre jahrelange Ignoranz gegenüber der Umweltfrage und ihre geringe Verankerung in der Arbeiterbewegung macht auf der linken Seite Platz frei für revo­lutionäre Politik. Das entgeht natürlich auch den bürgerlichen Medien nicht. Die MLPD hat in dieser Situation ihre Hausaufgaben gemacht. Mit ihrem System REVOLUTIONÄRER WEG hat sie seit 50 Jahren theoretisch tiefgehende und überzeugende Antworten. Und zwar vom Standpunkt des Marxismus-Leninismus und an der ganzen Bandbreite der gesellschaftlichen Fragen. Mit Überzeugungskraft und der ihr eigenen Authentizität erkämpft sie sich zudem in der Praxis immer besser eine neue, gesamtgesellschaftliche Rolle – gegen alle antikommunistischen staatlichen Repressionen. Man kann den gewachsenen gesellschaftlichen Einfluss an verschiedenen Faktoren ablesen: So erreichte die Presseberichterstattung über die MLPD alleine in den letzten drei Monaten etwa fünf Millionen Leser 2. Die Zugriffe auf Rote Fahne News (rf-news.de) haben sich seit 2018 pro Monat dauerhaft um 25 Prozent gesteigert. Gegenüber dem Vergleichszeitraum im Jahr 2010 haben sie sich verdreifacht. Auch die Seite des Organs REVOLUTIONÄRER WEG (www.revolutionaerer-weg.de) steigert deutlich ihre Zugriffe. Im dritten Quartal 2019 verkauften wir fast drei Mal so viele Bücher der Reihe REVOLUTIONÄRER WEG wie in einem durchschnittlichen Quartal ohne Neuerscheinungen aus dieser Buchreihe „üblich“. Seit dem X. Parteitag haben wir immerhin 17 Prozent neue Mitglieder gewonnen und eine Reihe neuer Stützpunkte und Gruppen aufgebaut. Kulmination, das bedeutet Entscheidungsschlacht: Gelingt es der MLPD, sich eine gesamtgesellschaftliche Rolle gegen die verstärkte antikommunistische Hetze und Repression zu erkämpfen? Das wäre gleichbedeutend mit einer nachhaltigen Durchbrechung der relativen Isolierung, in die uns die Herrschenden in den vergangenen Jahrzehnten durch systematisches Totschweigen gebracht haben.

Welches Signal geht vom weltweiten Streik- und Kampftag gegen die drohende Umweltkatastrophe am 20. September 2019 für die Entwicklung des fortschrittlichen Stimmungsumschwungs unter den Massen aus?

Diese Entwicklung kennzeichnet ­einen neuen Höhepunkt im fortschrittlichen Stimmungsumschwung. Allein in Deutschland gingen am 20. September 1,4 Millionen Menschen auf die Straße. Der fortschrittliche Stimmungsumschwung umfasst mit insgesamt 3,91 Millionen Beteiligten an Arbeiter- und Volkskämpfen im bisherigen Jahr 2019 schon mehr Menschen als in den Gesamtjahren 2017, 2018 oder auch 2004. Das war das Jahr der Montagsdemobewegung und der konzernweiten Streiks, mit insgesamt 3,8 Millionen Beteiligten. Die Beteiligung liegt nicht mehr weit hinter dem langjährigen Spitzenwert von 2015 zurück, mit 4,3 Millionen, als der fortschrittliche Stimmungsumschwung erwachte. Es ist auffällig, dass sich vor allem in der Umweltbewegung die Kapitalismuskritik zunehmend Bahn bricht und verstärkt die Hauptverursacher, die internationalen Monopole, ins Visier genommen werden. Das erwachende Umweltbewusstsein auf breiter Front macht also Fortschritte, hin zu einem sich entwickelnden Umweltbewusstsein.

Mit der Fridays-for-Future-Bewegung wurde die Jugend zur praktischen Avantgarde im fortschrittlichen Stimmungsumschwung. Die Bewegung ließ sich auch durch eilig getroffene Regierungsbeschlüsse nicht besänftigen und von ihrer Kritik abbringen. Im Gegenteil! Die MLPD wird immer mehr als Repräsentantin des konsequenten und radikalen Umweltschutzes und des gesellschaftsverändernden Kampfs gegen die Profit­wirtschaft anerkannt. Wir haben die Tatsache eingebracht, dass die Umweltzerstörung im Kapitalismus inzwischen systemimmanent ist, und dass es um die Einheit der Lösung der Umweltfrage und der sozialen Frage gehen muss. Das ist in die Umweltbewegung eingegangen. Am 20. September hatten wir es bereits mit einem gesellschaftskritischen Kampf zu tun. All das hat positive Auswirkungen auf die Entwicklung des Bewusstseins der Massen insgesamt. Die MLPD nahm am 20. September gemeinsam mit ihrem Jugendverband REBELL und anderen Verbündeten aus dem Internationalistischen Bündnis mindestens an 100 Aktionen aktiv und teils prägend teil. Wir organisierten anziehende, kämpferische, bunte und kulturvolle Blocks mit offenen Mikrofonen, machten bewusstseinsbildende Arbeit zu unseren umweltpolitischen Positionen. Wir führten Zigtausende Gespräche, gewannen Hunderte neue Kontakte und Interessenten. Außerdem zahlreiche Käufer für das Buch „Katastrophenalarm! Was tun gegen die mutwillige Zerstörung der Einheit von Mensch und Natur?“ aus der Reihe REVOLUTIONÄRER WEG. Unsere Betriebsgruppen mobilisierten – oftmals als Einzige aktiv – zahlreiche Arbeiterdelegationen aus den großen Industriebetrieben. Das gibt der Einheit von Arbeiter- und Umweltbewegung und dem Kampf für ein allseitiges und vollständiges gesetzliches Streikrecht neuen Auftrieb.

Allerdings steht die Arbeiterklasse insgesamt noch nicht an der Spitze der Umweltproteste. Bei den FFF-Demon­strationen wie auch in den Gewerkschaften tobt um diese Fragen ein regelrechter Richtungskampf. Die Gewerkschaft Verdi, aber auch die IG Metall und andere nehmen sich – als Reaktion auf das massenhaft erwachte Umweltbewusstsein – verstärkt der Umweltfrage an. Dass sich dennoch verschiedene Gewerkschaftsfunktionäre, wie der Vorsitzende der IGBCE, Michael Vassiliadis, dafür hergeben, die Umweltproteste zu attackieren, ist offene Dienstleister-Politik für die Industrie. Umso wichtiger sind die noch immer wenigen, aber zunehmenden und bedeutenden selbständigen und kämpferischen Aktionen von Belegschaften. So die der Bergleute, der Siemens-Arbeiter in Berlin oder die kleinerer Belegschaften der Autozulieferer. Die FFF-Bewegung ist natürlich nicht homogen, und in ihr selbst findet ein entfalteter Kampf statt zwischen proletarischer und kleinbürgerlicher Denkweise. Wir müssen noch mehr in die bewusstseinsbildende Arbeit investieren! Nur dann wird sich in der spontanen und somit noch labilen Bewegung die antikapitalistische Tendenz, mit wachsender Offenheit für die sozialistische Perspektive, stärken.

Sind diese Entwicklungen in Deutschland eine Ausnahmeerscheinung – oder wie beurteilst du den internationalen Trend?

Bemerkenswert war der internationale Charakter der Proteste vom 20. bis 27. September – mit 6383 Aktionen in 170 Ländern und mindestens sieben Millionen Menschen bei diesen Protesten. Darauf nahm die revolutionäre Weltorganisation ICOR3 Einfluss mit der Orientierung auf eine internationale Widerstandsfront zur Rettung der Umwelt vor der Profitwirtschaft. Auch international entwickelt sich sowohl die gesellschaftliche Polarisierung weiter als auch der fortschrittliche Stimmungsumschwung. In verschiedenen Regionen entbrannten Massenkämpfe, bis hin zu aufstandsähnlichen Erhebungen.

349 Kämpfe und Streiks allein im Juli 2019 im neuimperialistischen Iran, wo der Kampf für Arbeit, Frieden und Brot mehr und mehr unter Führung der Arbeiterklasse steht. Ein explosionsartiger Aufstand im Irak, mit der Jugend als praktische Avantgarde. Weitere bedeutende Massenkämpfe im Sudan, in Ägypten, Algerien – und jeden Freitag Massendemonstrationen in Gaza gegen die imperialistische Politik Israels. In Peru gab es einen von der Internationalen Bergarbeiterkonferenz beeinflussten landesweiten Streik der Bergarbeiter. In der Einheit von ökonomischen Forderungen für einen Manteltarif und ökologischen Fragen.

In dieser Situation trägt das gezielte internationalistische Engagement von MLPD und ICOR wesentlich bei zu bedeutenden Fortschritten in der länder­übergreifenden Kooperation und Koordination. Weit vorangeschritten sind die Gespräche zwischen ICOR und ILPS4 über den Aufbau einer weltweiten antiimperia­listischen Einheitsfront. Am 28. und 29. September tagte – erstmals in der Region selbst – die vierte Mittlerer-Osten-Konferenz der ICOR. Organisationen der ICOR diskutierten zusammen mit relevanten Kräften aus der Region – wie Kurden und Palästinensern – ebenso kontrovers wie solidarisch. Es ging um die Beurteilung der explosiven Lage, aber auch um die Schlussfolgerungen für eine künftig engere Zusammenarbeit im Nahen und Mittleren Osten. Große Fortschritte gibt es auch in der Vorbereitung der 2. Internationalen Automobilarbeiterkonferenz im Februar 2020 in Südafrika, auf die sich bereits Arbeiterdelegationen in verschiedenen Ländern vorbereiten.

Passt das denn zusammen – von solchen Erfolgen zu sprechen, wo es doch zeitgleich heftigste Angriffe gegen die MLPD gibt?

Die größten Erfolge werden gegen die größten Anfeindungen erkämpft. Und andersherum: Die Anfeindungen erfolgen eben gerade wegen unserer realen und unserer potenziellen Erfolge. Der 20. September wurde zu einer glatten Niederlage für die Merkel/Scholz-Regierung und die bürgerlichen Parteien. Diese, auch die Grünen, hatten von vornherein versucht, die FFF-Bewegung auf die Mühlen ihrer Politik zu lenken, sie auf das völlig unverbindliche und unzureichende Pariser Klimaabkommen zu orientieren. Vertreter der bürgerlichen Parteien tarnen sich mit ihren NGO-Funktionen – um so an die Spitze der Bewegung zu kommen. Bürgerliche NGOs5 finanzierten „großzügig“ das zentrale Material zum 20. September, das natürlich auch inhaltlich von ihnen kon­trolliert wurde.

Diese „Förderung“ der FFF-Bewegung soll verhindern, dass sich das Umweltbewusstsein weiter zu einem Teil des Klassenkampfs und der Vorbereitung der internationalen Revolution höherentwickelt. Aber dieser Plan hätte nur funktionieren können, wenn dafür die MLPD aus der Bewegung eliminiert worden wäre.

Dazu wurde das gesamtgesellschaftliche Liquidatorentum, das seit etwa anderthalb Jahren wütet, erneut bundesweit mobilisiert. Es geht dabei um ein neuartiges Liquidatorentum6, kein innerparteiliches, wie wir es in der Geschichte unserer Partei geschlagen haben. Es richtet sich gegen die wachsende Einheit der Marxistisch-Leninistischen Partei mit den Massen, den verschiedenen Massenbewegungen und Selbstorganisationen der Massen. An den meisten Orten wurden zeitgleich exakt gleichlautende, scheinheilige Slogans ausgegeben: „keine Parteien, keine Fahnen“. Tatsächlich richtet sich das eindeutig vor allem gegen die MLPD. Denn SPD, Grüne oder Linkspartei haben es durch ihre tägliche Medienpräsenz gar nicht nötig, mit ihren Fahnen und Transparenten aufzutreten. Ebenfalls im Gleichklang wurde Kapitalismuskritik und eine gesellschaftsverändernde Perspektive von diesen Kräften für „unerwünscht“ erklärt und versucht, die MLPD und den Jugendverband REBELL aus den „Orga“-Gruppen7 auszuschließen. Diese Attacken reichten von rechtswidrigen Verboten von Parteifahnen über Diffamierungen bis hin zu Versuchen, antikommunistische Po­gromstimmung zu erzeugen. Schließlich auch bis zu körperlicher Gewalt und direkter Zusammenarbeit mit dem Staatsapparat. Dabei ist entlarvend, dass diese Typen, die ja im Gewand der Verteidigung der bürgerlichen Demokratie auftreten, vehement die bürgerlich-demokratischen Rechte und Freiheiten unter – anderem der MLPD – attackieren. Die politische Unerfahrenheit der zumeist sehr jungen FFF-Aktivisten wird für dieses schäbige Vorgehen regelrecht missbraucht. Hauptträger dieser Drecksarbeit für die Herrschenden waren staatstragende, pseudo-überparteiliche NGOs, die sich unter anderem an Orten wie Bochum, Dortmund, Rostock oder Erfurt auf „Antideutsche“ oder anarchistische Schlägertrupps stützten. Diese arbeiteten dann – ganz „anti“deutsch und anarchistisch – oft direkt mit der Polizei zusammen. Gegen uns. Die meisten dieser Personen hatte man noch niemals vorher auf einer Umweltdemonstration gesehen.

All das scheiterte mit dem 20. September kläglich. Wir bestanden – im Interesse der gesamten Bewegung – auf unseren demokratischen Rechten und Freiheiten. Wir setzten das diktatorische Vorgehen der selbsternannten „Orga“-Teams ins Unrecht. Wir enthüllten die politische Zielsetzung des Liquidatorentums massenhaft, griffen die Spalter an, und wir nannten und nennen Ross und Reiter. Im Kampf gegen diese zerstörerische Richtung entwickelten wir unsere anziehende Demonstrations- und Diskussionskultur und überzeugende Argumente weiter, mit großer Resonanz. Wir werden keinen dieser Angriffe stehen lassen.

Ist es nicht komisch, dass die MLPD, die diese Gesellschaft revolutionär überwinden will, auf das bürgerliche Grundgesetz oder Versammlungsgesetz pocht?

Im Gegenteil, das ist nur konsequent! Schon der frühere KPD-Vorsitzende Max Reimann hat 1949 als Mitglied des Parla­mentarischen Rats bei der Verabschiedung des Grundgesetzes die Position der Kommunisten gut ausgedrückt. Nachdem er erklärt hatte, dass die KPD dem Grundgesetz nicht zustimmt, weil es die Spaltung Deutschland bedeutet und das kapitalistische Privateigentum verewigt – führte er aus: „Die Gesetzgeber werden im Verlauf ihrer volksfeindlichen Politik ihr eigenes Grundgesetz brechen. Wir Kommunisten aber werden die im Grundgesetz verankerten wenigen demokratischen Rechte  gegen die Verfasser des Grundgesetzes verteidigen.“8 So handhaben wir das auch heute.

Das Grundrecht auf freie Meinungsäußerung, auf Versammlungsfreiheit, das Koalitionsrecht mit besonderen Rechten für politische Parteien auf antifaschistischer Grundlage wurden von der Arbeiterbewegung seit über 100 Jahren erkämpft und als Lehre aus dem Hitler-Faschismus im Grundgesetz verankert. Es ist nicht zu akzeptieren, was sich die verschiedenen Liquidatoren anmaßen: das „Monopol“ auf gesellschaftliche Bewegungen wie FFF zu haben und Entscheidungen zu treffen in willkürlich zusammengewürfelten und meist dünn, aber von ihnen gezielt besetzten Vorbereitungsgruppen, die über den Grundrechten stehen. Da schreien als „Parents for Future“ auftretende Grüne oder sonstige bürgerliche Funktionäre, dass „die Jugendlichen die MLPD nicht haben wollen“. Währenddessen sind eben diese Jugendlichen in ihrer großen Masse äußerst offen und interessiert an den Posi­tionen der MLPD, und auch an der Organisierung im REBELL. Nicht umsonst fanden an einem einzigen Tag 80 000 Flyer der MLPD – „Flagge zeigen für aktiven Widerstand“ – interessierten Absatz. Diese Leute führen den heiligen Kreuzzug gegen den vermeintlichen „Stalinismus“, während ihre Mentalität selbst despotisch und repressiv ist.

Zu Ende gedacht, führt dieses Verhalten zu dem, was eine ultrareaktionäre Mehrheit am 19. September 2019 als „Entschließung des Europäischen Parlaments“ festlegte: Diese Entschließung verweist auf das Verbot kommunistischer Symbole und Organisationen in verschiedenen osteuropäischen Ländern, setzt in geschichtsklitternder Art und Weise Faschismus und „Stalinismus“ gleich und fordert entsprechend durchgreifende Maßnahmen – gegen die Kommunisten!

Wer heute gegen freie Meinungsäußerung von Marxisten-Leninisten, gegen das Koalitionsrecht und gegen Fahnen der MLPD vorgeht, hat in einer fortschrittlichen Bewegung nichts zu suchen. Unser großer Erfolg hingegen war nur möglich, weil wir offensiv agierten, statt zu reagieren. Weil wir uns nicht feige wegduckten oder kläglich unsere Fahnen einrollten, wie es verschiedene Opportunisten machten. Das hat die ganze Partei am 20. September hervorragend umgesetzt – und das ist eine Leitlinie für das weitere Hineinwachsen der MLPD in ihre gesamtgesellschaftliche Rolle!

Am 20. September wurde auch das sogenannte Klimapaket der Bundesregierung vereinbart. Es scheint unter den Leuten nicht gerade auf Begeisterung zu stoßen?

Das ist noch sehr höflich ausgedrückt. Bis in breite Kreise bürgerlicher Umweltforscher hinein wird von Fiasko, Versagen, Katastrophe gesprochen. Das ganze sogenannte Klimapaket ist eine Provokation gegenüber der Arbeiter-, Jugend- und Umweltbewegung und den breiten Massen. An Kanzlerin Merkels Rechtfertigung, Politik sei eben „das Machbare“, sieht man deutlich den Klassencharakter des angeblich so ideologiefreien Pragmatismus. Im Klartext geht es nur darum, was „machbar“ ist für eine Regierung, die sich als Dienstleisterin der internationalen Monopole versteht: Und das ist keinesfalls Umweltschutz auf Kosten von deren Profiten! Die kapitalistische Industrie wird durch das neue Regierungspaket sogar noch entlastet. Zum Beispiel durch Senkung der EEG-Umlage, umfangreiche Subventionen an die Autokonzerne und die Bahn AG. Die Kehrseite der Medaille ist die vollständige Abwälzung der Lasten der Umweltkrise auf die breiten Massen. Nur ein kleiner Bruchteil der veranschlagten 54 Milliarden Euro fließt wieder zurück zu den Massen: über die erhöhte Pendlerpauschale ab 21 Kilometer oder die Senkung der Mehrwertsteuer bei Bahnfahrten. Die Massen sollen so aufgebracht werden gegen weitere Umweltschutzmaßnahmen. Die CO2-Abgabe schröpft sie – die Kapitalisten können aber alles über die Preise auf die Verbraucher abwälzen. Durch diese Maßnahmen wird zugleich nicht ein einziges Gramm weniger CO2 ausgestoßen. Umweltpolitisch besteht Merkels „Machbares“ darin, mutwillig den Weg in die globale Umweltkatastrophe fortzusetzen – und dann auch noch die Massen dafür verantwortlich zu machen. Auch bei den Grünen, die bisher noch am meisten von der Umweltbewegung profitieren, hört grün sein immer da auf, wo die Profitlogik der Konzerne tangiert würde. Dabei erleben wir in den letzten Monaten eine dramatische Verschärfung der globalen Umweltkrise. Ende September warnte der Weltklimarat, die Erwärmung von Luft und Wasser laufe erheblich schneller ab, als erwartet. Unheilvolle Wechselwirkungen der verschiedenen Hauptmerkmale des Übergangs in die globale Umweltkatastrophe entwickeln sich. Sie drohen irreversible „Kipppunkte“ zu überschreiten. Hier ist eindeutig Katastrophenalarm angesagt! Dem müssen auch die Maßnahmen entsprechen. Und was macht die Regierung? Sie schwächt sogar ihr eigenes, völlig unzureichendes Klimapaket noch weiter ab. In diesem Kampf müssen sich die Umweltgruppen der MLPD an die Spitze stellen. Ihre Aufgabe ist es, den Kampf um das notwendige aktuelle Sofortprogramm zu entfalten –   als Schule   > des Kampfs um eine sozialistische Gesellschaft, mit dem Paradigma der Einheit von Mensch und Natur. Es wäre opportunistisch, die konkreten Umweltkämpfe der kleinbürgerlichen Umweltbewegung zu überlassen und damit Illusionen zu schüren, der Kapitalismus könne ökologisch ausgestaltet werden. Die Stärkung der Umweltgruppen der MLPD ist eine wesentliche Voraussetzung dafür, dass sich das Umweltbewusstsein weiterentwickelt – mit der Perspektive eines gesellschaftsverändernden Charakters der Umweltbewegung.

Bei aller Zustimmung gab es doch auch einzelne Stimmen, ob die MLPD denn unbedingt mit ihren Fahnen und Symbolen auftreten muss?

Diesen Kampf auszutragen, ist ein notwendiger Lernprozess. Wir wissen aus allen geschichtlichen Entwicklungen, dass vor und in qualitativen Sprüngen zu größeren gesellschaftlichen Veränderungen Kulminationen auszutragen sind und liquidatorische Strömungen auftreten. Die Berechtigung, ja Notwendigkeit dieser Auseinandersetzung, gilt auch dann, wenn sie noch nicht alle Leute unmittelbar verstehen oder mittragen – wenn ein Teil abgeschreckt, eingeschüchtert, vom modernen Antikommunismus beeinflusst ist oder gar verhetzt werden kann. So, wie es keinen Sozialismus ohne Revolution gegen den Kapitalismus gibt, so gibt es auch kein sozialistisches Bewusstsein ohne vorherige weltanschauliche Schlachten gegen den modernen Antikommunismus. Erinnern wir uns, wie in den 1980er- und 1990er-Jahren die MLPD vor allem aus der damals noch starken DKP beschimpft, tätlich angegriffen, aus Demos gedrängt wurde und wie Büchertische zerstört wurden. Der Grund war die prinzipielle Kritik der MLPD und ihrer Vorläuferorganisationen an der Restauration des Kapitalismus in der Sowjetunion, am Revisionismus in der DDR oder in China. Das war damals noch Minderheitsmeinung. Heute wird jeder zustimmen, dass diese Kritik ebenso unabdingbar wie weitsichtig war, um zu einem neuen Aufschwung im Kampf um den Sozialismus zu kommen. Wenn wir den Kampf heute richtig führen, werden die Jugendlichen gestählt und bewusster aus dieser Auseinandersetzung herausgehen. Zögerlichkeit im Vorgehen gegen liquidatorische Kräfte gibt denen nur Spielraum und hat auch immer etwas damit zu tun, Liquidatoren als „Teil der Bewegung“ zu sehen. Das sind sie nicht!

Man muss die Kräfte, die diese Spaltung betreiben, und ihre weltanschaulichen Hintergründe genauer unter die Lupe nehmen. Der FFF-Sommerkongress im Juli in Dortmund war von Campact organisiert. Ein Christoph Bautz ist seit Gründung 2004 Geschäftsführer von Campact, nachdem er zuvor Begründer von Attac Deutschland war. Ausgebildet wurde er für diese Aufgaben in seiner Tätigkeit für die US-Internet-Plattform „MoveOn.org“. Diese wiederum wird unter anderem mit 1,46 Millionen Dollar vom Finanzmagnaten George Soros finanziert. Soros war ein Schüler des „Philosophen“ Karl Popper mit seiner Philosophie des Neu-Positivismus. Er behauptete, der Kapitalismus sei eine „offene Gesellschaft“, die konsequent vor ihren „Feinden geschützt“ werden müsse. Darunter versteht er vor allem die Kommunisten. „Offen“ ist diese Gesellschaft also für alles Kapitalistische – für Kapitalismuskritik dagegen ist sie „geschlossen“. Mir kann keiner erzählen, dass dieses Konzept dem entspricht, was die Masse der Jugend heute will und braucht! Deshalb ist es wichtig, dass man auch den ideologischen Gehalt aufdeckt, der die Jugend hier gängeln soll. Die Heinrich-Böll-Stiftung von Bündnis 90/Die Grünen veranstaltet – ganz uneigennützig, versteht sich – für FFF-Aktivsten Ausbildungen zu „Formen zivilgesellschaftlichen Protests“, teils direkt gefördert von der staatlichen Landeszentrale für politische Bildung.9 Die staatstragenden NGOs waren schon in der Vergangenheit Instrumente des Systems der kleinbürgerlichen Denkweise der Herrschenden – also des Systems der Demoralisierung, Desorganisation und Desorientierung. Sie verwandeln sich jetzt zunehmend in Instrumente zur offenen Unterdrückung der Revolutionäre und Marxisten-Leninisten.

Der neueste Schrei des modernen Antikommunismus ist der abstruse Vorwurf an uns, wir seien „Antisemiten“. Seit Jahrzehnten führen wir einen Kampf gegen jede Art von Rassismus, wozu selbstverständlich der Kampf gegen Antisemitismus gehört. Keiner konnte uns bisher auch nur annähernd ernsthaft irgendetwas nachweisen, was antisemitisch war – weil wir es nicht sind. Es ist einfach eine antikommunistische Fake-News-Kampagne, die auf die Unwissenheit der Leute setzt. Dafür muss oft unsere Unterstützung der palästina-solidarischen BDS-Kampagne herhalten. Diese richtet sich zum Beispiel gegen internationale Konzerne, die imperialistische Geschäfte machen in den von Israel besetzten palästinensischen Gebieten. So gegen den französischen Konzern AXA. Er ist an fünf Banken beteiligt, die in die illegalen israelischen Siedlungen10 in den Palästinenser-Gebieten investieren. Außerdem investiert AXA in das größte israelische Rüstungsunternehmen Elbit, dessen Drohnen wiederum die Frontex-Mission im Mittelmeer ausrüsten. Wer eine solche Kampagne diffamiert und anfeindet, kann ja mal erklären, warum er solche imperialistischen Verbrechen schützen will.

Diese Bewegung hat mit Antisemitismus so wenig zu tun wie die fortschrittlichen Proteste gegen den faschistischen türkischen Präsidenten Erdoğan mit Islamophobie.

Das Verständnis über all das wird letztlich dazu beitragen, dass die Massen den reaktionären Charakter des modernen Antikommunismus besser verstehen werden. Jeder muss sich bewusst machen: Wer den modernen Antikommunismus in den sozialen Bewegungen aggressiv verbreitet und durchzusetzen versucht, der stärkt objektiv auch Kräfte wie die AfD und deren offen aggressiven Antikommunismus. Denn mit vermeintlich „linken“ Kronzeugen werden so der Antikommunismus und eine aggressive Stimmung gegen die MLPD salonfähig gemacht. Diese wird auf die Spitze getrieben mit dem offen aggressiven Antikommunismus und den repressiven faschistoiden oder sogar faschistischen Methoden von AfD oder NPD gegen die MLPD. Das alles erfordert von uns und von jedem demokratisch eingestellten Menschen, die Offensive gegen das Liquidatorentum zu unterstützen und weiterzuführen. Es gilt, dieses Liquidatorentum in allen sozialen Bewegungen und Gewerkschaften zu schlagen, seine führenden Vertreter und ihre geheimdienstlichen Drahtzieher im Hintergrund öffentlich zu diskreditieren.

Woher rührt die Nervosität der Herrschenden? Was die Wirtschaftsentwicklung angeht, sieht man auf bürgerlicher Seite derzeit lauter besorgte Gesichter. Was ist da los?

Wir sind zu dem Schluss gekommen, dass eine neue Weltwirtschaftskrise bereits eingeleitet ist. Das begann bereits im zweiten Halbjahr 2018. In diesem Zeitraum hatte die bis dahin andauernde schwankende Stagnation ihren Zenit überschritten. Darin hatten sich Industrieproduktion und Investitionen mit Ausschlägen nach oben und unten um eine Durchschnittslinie bewegt. Nunmehr gab es eine qualitative Änderung: Die Industrieproduktion geht seitdem in einem Teil der imperialistischen Zentren deutlich zurück, in anderen sinken die Wachstumsraten erheblich. Die Tendenz ist eindeutig über inzwischen viele Monate negativ. Auch der Internationale Währungsfonds (IWF) hat Alarm geschlagen wegen eines – wie er es nennt – „synchronen Abschwungs“ in 90 Prozent aller Länder.11 Seit November 2018 gibt es einen absoluten Rückgang der Industrieproduktion in der Eurozone und der EU. Bereits im 2. Halbjahr 2018 waren erste neuimperialistische Länder, wie Argentinien, Brasilien und die Türkei, in eine offene Wirtschaftskrise geraten. Im Juni 2019 lag die Industrieproduktion der gesamten OECD12 bei minus 0,5 Prozent im Vorjahresvergleich. In der EU betrug der Rückgang bei der Industrieproduktion im 2. Quartal 2019 im Vergleich zum Vorjahresquartal 0,5 Prozent. Bereits seit Juni 2018 währt der Rückgang der Industrieproduktion in Japan. Die Welt-Autoindustrie befindet sich im Krisenstrudel. Im Juni prognostizierte das CAR-Institut der Uni Duisburg-Essen einen weltweiten Rückgang des Autoabsatzes um mehr als vier Millionen Fahrzeuge, von 83,7 auf 79,5 Millionen im Gesamtjahr 2019. Im Mai 2019 war auf dem wichtigsten Absatzmarkt China der Absatz im Vergleich zum Vorjahresmonat um 16,4 Prozent zum elften Mal in Folge gesunken.

Bemerkenswerterweise ist Deutschland, das bisherige Flaggschiff der EU-Wirtschaft, besonders stark von der Krise betroffen. Seit August 2018 geht in Deutschland die Industrieproduktion im Vorjahresvergleich absolut zurück. Die Kapazitätsauslastung sank von 87,8 Prozent im Juli 2018 auf 83,9 Prozent im Juli 2019. Auch die Exporte gehen in einzelnen Monaten deutlich zurück. Die Industrieaufträge sinken stark. Im August 2019 um 6,7 Prozent im Vorjahresvergleich. Besonders drastisch sind die Auftragsrückgänge im Maschinenbau, wo im August 2019 die Aufträge an deutsche Unternehmen um 17 Prozent im Vergleich zum Vorjahr einbrachen.

In den USA sinken die Wachstums­raten der Industrieproduktion, und sie lag im August 2019 im Vergleich zum Vorjahreszeitraum nur noch bei plus 0,4 Prozent. 2018 war sie noch in allen Quartalen um circa 4 Prozent zum Vorjahreszeitraum gestiegen. In China stieg das Bruttoinlandsprodukt (BIP) im 2. Quartal 2019 nur noch um 6,2 Prozent im Vergleich zum Vorjahreszeitraum, und die Konjunktur ist dort so schwach wie seit 1992 nicht mehr13.

Beim Bruttoinlandsprodukt sinken seit dem 2. Quartal 2018 international die Wachstumsraten, in der EU seit dem 4. Quartal 2017. Doch der einseitige Blick auf das Bruttoinlandsprodukt verzerrt die reale wirtschaftliche Entwicklung. So finden sich unter den im BIP erfassten „Dienstleistungen“ Anteile der Industrieproduktion, aber auch viele Bereiche, die mit einer Produktion von materiellen Gütern wenig zu tun haben. Seit einiger Zeit werden nach internationaler Übereinkunft auch Rüstungsausgaben, Geldwäsche, Zigarettenschmuggel und Prostitution, die überbordende Spekulation, Drogen sowie die umfangreichen Rentenzahlungen zum gesellschaftlichen Neuwert gerechnet. Das wirft ein Schlaglicht auf die Dekadenz des imperialistischen Weltsystems.

Der unmittelbare Auslöser der Weltwirtschaftskrise war der Handelskrieg ausgehend von den USA. In den letzten sechs Monaten wurden auf so viele Waren und Dienstleistungen Zölle erhoben wie zu keinem früheren Zeitpunkt. Der Wert der betroffenen Waren wird mit 421 Milliarden Euro angegeben. Das hat gravierende negative Auswirkungen auf den gesamten Welthandel. Er ging im 1. Halbjahr 2019 um 2,8 Prozent gegenüber dem 1. Halbjahr 2018 zurück. Das wirkt sich vor allem auf die Achillesferse der Länder mit stark exportabhängiger Wirtschaft wie Deutschland aus.

Der allgemeine Hintergrund der neuen Weltwirtschaftskrise liegt in der verschärften chronischen Überakkumulation des Kapitals. Dazu kommt die bisher nicht gekannte geballte Wirkung von drei verschiedenen, sich gegenseitig durchdringenden Strukturkrisen: Seit Beginn der 1990er-Jahre wirkt eine internationale Strukturkrise auf der Grundlage der Neuorganisation der internationalen kapitalistischen Produktionsweise. Hinzu kommt die Strukturkrise durch die Umstellungen in der Automobilindustrie auf E-Mobilität und die Strukturkrise auf der Grundlage der umfassenden Digitalisierung der gesamten Produktion. Sie hat universelle Wirkung auf die Produktion, den Handel, die Kommunikation und die gesamte Gesellschaft. Im Jahr 2018 beliefen sich die Profite bei den internationalen Übermonopolen auf 2,2 Billionen US-Dollar, das sind 262 Prozent im Vergleich zum Jahr 2008. Sie konnten also nach der Weltwirtschafts- und Finanzkrise 2008–2014 ihre Maximalprofite erheblich steigern, auf Kosten der übrigen Monopole, der nichtmonopolistischen Bourgeoisie, der gesamten Gesellschaft und der Ausbeutung von Mensch und Natur. Diese explodierenden Profite konnten aber angesichts sich relativ verengender Märkte immer weniger Maximalprofit bringend angelegt werden. Das ließ das spekulative Kapital massiv anwachsen. So lag die Börsenkapitalisierung, das heißt der Börsenwert der an den Weltbörsen gelisteten Aktiengesellschaften, im Juni 2019 bei 83,3 Billionen US-Dollar. 60,7 Billionen waren es im Vergleich dazu im Oktober 2007, dem damaligen Höchstwert vor dem Ausbruch der Finanzkrise. Schon warnen die Unternehmerzeitungen vor einer „Immobilien- oder Aktienblase“.

Aber der Krisenabschwung ist diesmal nicht so abrupt wie beim letzten Mal im Jahr 2008 – oder?

Bisher führt das international koordinierte Krisenmanagement tatsächlich dazu, dass der Kriseneinbruch nicht so abrupt verläuft wie noch in der letzten Überproduktionskrise. Die Industrieproduktion in Deutschland ist allerdings auf das Niveau des Jahres 2016 zurückgefallen. Der weltweit abrupte Einbruch 2008, der sich Anfang 2009 verstärkt fortgesetzt hatte, war vor allem durch das Ausbrechen der Weltfinanzkrise und ihren Auslöser, den Zusammenbruch von Lehman Brothers, erzeugt. Diese Finanzkrise ergriff in Windeseile das Herz des kapitalistischen Bankwesens und kappte 2008 abrupt die Weltfinanzströme. Dies löste einen extremen, weltweit gleichzeitigen, tiefen Einbruch der Industrieproduktion aus. Mit der Politik des billigen Geldes, der Übernahme von Staats- und Unternehmensanleihen durch die Notenbanken, umfassende staatsmonopolistische Stützungsaktionen für Großbanken, neuen Regeln der Bankenregulierung und Unsummen von Geld für die Bankenstabilisierung haben die Herrschenden eine solche abrupte Entwicklung bislang verhindert. Dazu wurde das international koordinierte Krisenmanagement, das erstmals 2008 einsetzte, mit verschiedenen Modifizierungen fortgeführt. Aber selbst das brachte keinen wirklichen Aufschwung hervor. Der von Kanzlerin Merkel viel beschworene „selbsttragende Aufschwung“ erwies sich, wie von uns vorhergesagt, als Phantom des Wunschdenkens der bürgerlichen politischen Ökonomie. Die imperialistische Weltherrschaft hängt am Tropf dieses internationalen Krisenmanagements, das ein gefährliches Spiel mit dem Feuer ist. Allein die Europäische Zentralbank (EZB) hat seit 2015 2,650 Billionen Euro an Anleiheschulden übernommen. Rechnet man diese von der EZB in ihre Bilanzen überführten Schulden von 2,650 Billionen Euro grob zu den offiziellen Staatsschulden der Eurozone14 hinzu, so kommt man auf tatsächliche Staatsschulden der Euro­zone in Höhe von 12,51 Billionen Euro. Ab irgendeinem Punkt wird die relative Grenze der Staatsverschuldung aber zu einer absoluten werden. Das wird schlagartige Auswirkungen nach sich ziehen: von der galoppierenden Inflation bis hin zu Staatskrisen, wie wir sie 2010 in Griechenland oder in Argentinien erlebt haben. Zudem ist die Unternehmensverschuldung drastisch angewachsen. Der IWF fürchtet, dass bei einem Fortgang der Krise Unternehmenskredite im Wert von 19 Billionen Dollar „gefährdet“ sind, und hält das Risiko für größer als beim Ausbruch der letzten Weltwirtschafts- und Finanzkrise.15 Das Krisenmanagement hat durch die aufgeblähte Staatsverschuldung und die im Wesentlichen ununterbrochenen Niedrig- beziehungsweise Negativzinsen immer weniger Stellschrauben, an denen noch weiter gedreht werden kann. Allgemein wird es durch die verschärfte zwischenimperialistische Konkurrenz immer weiter unterhöhlt. Eine Neuauflage des international koordinierten Krisenmanagements in der Art, wie es nach der Krise 2008 aufgelegt wurde, ist heute aus ökonomischen und politischen Gründen kaum denkbar.

Laut Regierung haben sie die Lage im Griff – und die Arbeiterklasse und die breiten Massen haben nichts zu befürchten?

Das ist natürlich reine Zweckpropaganda! Es ist absehbar, dass die herrschenden Monopole und die Regierung von der jahre­langen Politik des versuchten ausgleichenden Krisenmanagements übergehen auf die immer direktere, offene und allseitigere Abwälzung der Krisenlasten auf die Massen. Immer mehr Industrieunternehmen, aber auch Banken, kündigen Arbeitsplatzvernichtung an und drohen offen mit betriebsbedingten Kündigungen. Bei der RAG wurden diese schon getätigt. Diesem Tabubruch werden weitere folgen. Die Zahl der Kurzarbeiter steigt deutlich an, Zehntausende Leiharbeiter wurden bereits „abgemeldet“. Das wird die Klassenwidersprüche besonders in den industriellen Großbetrieben zuspitzen. Es gibt gegen solche geplanten oder bereits durchgeführte Massenentlassungen bereits wichtige Kampfaktionen: So bei Ford in Brasilien, Indien und Großbritannien; bei General Motors in den USA, Kanada und Korea sowie bei Hyundai in Algerien. In Brasilien, Korea und Tschechien sind Autoarbeiter bei Massenkämpfen gegen die Regierung führend. Wir werden nach der Landtagswahl in Thüringen einen Schwerpunkt auf die Stärkung unserer Kräfte an und in den Großbetrieben legen, insbesondere denen des interna­tionalen Industrieproletariats, und in den Gewerkschaften.

Wir werden auch neue Attacken auf die sozialen Errungenschaften der Massen erleben. Schon fordert der Monopolverband BDI ein neues Krisenprogramm in Höhe von 400 Milliarden Euro, das aus der ganzen Gesellschaft herausgepresst werden soll. Das betrifft auch die Familien und insbesondere die Frauen, die diese Krisenlasten in der Einzelfamilie als kleinste wirtschaftliche Einheit „auffangen“ sollen. Das wird sicher auch vom 1. bis 3. November in Erfurt ein Thema sein beim Frauenpolitischen Ratschlag. Er ist der bedeutendste selbst organisierte Kongress der kämpferischen Frauenbewegung in Deutschland.

Diese aktuelle Situation lässt nach der perversen Logik der Herrschenden auch keinen Spielraum für ernsthafte Maßnahmen gegen die globale Umweltkrise. Sie wird sich vor diesem Hintergrund weiter verschärfen. Latente politische Krisen werden sich tendenziell vertiefen und öfter und tiefer offen ausbrechen. Der internationale Konkurrenzkampf wird sich verschärfen und die internationalen Organisationsformen des allein herrschenden internationalen Finanzkapitals in ihrer Funktionsfähigkeit weiter unterhöhlen. Die allgemeine Kriegsvorbereitung wird weiter forciert werden und sich auch zu akuter Kriegsgefahr auswachsen können. Wir sehen das aktuell bereits mit dem völkerrechtswidrigen Überfall des faschistischen türkischen Regimes Erdo˘gans auf Rojava. Alle gesellschaftlichen Widersprüche werden auf die Spitze getrieben. Auch das erfolgt momentan in der Regel noch nicht unkontrolliert und abrupt. In Deutschland geht es sogar noch einher mit kleineren Teilzugeständnissen an die Massen. Wir wissen auch, dass Kanzlerin Angela Merkel eine Meisterin darin ist, gerade in Krisensituationen die Massen mit kleinen Zugeständnissen zu beruhigen. Aber die allgemeine Krisenhaftigkeit des imperialistischen Weltsystems wird sich weiter verschärfen, und sie wird unweigerlich ab einem bestimmten Punkt einen offenen Charakter annehmen. Sie gerät immer stärker in Gegensatz zu der sich weiterentwickelnden materiellen Vorbereitung der vereinigten sozialistischen Staaten der Welt. Auch das bringt die Massen immer stärker in Widerspruch zum Kapitalismus. Sie sehen immer deutlicher, was eigentlich möglich wäre – und wie sehr der Kapitalismus verhindert, dass der wissenschaftlich-technische Fortschritt der ganzen Gesellschaft, Mensch und Natur zugutekommt.

Die gesellschaftliche Polarisierung wird sich weiter verschärfen: zwischen der Rechtsentwicklung der Regierung und der bürgerlichen Parteien auf der einen und dem fortschrittlichen Stimmungsumschwung unter den Massen auf der anderen Seite. Es ist bemerkenswert, dass diese Rechtsentwicklung international mittlerweile auch einige Schlappen einstecken musste. So den Sturz des ultrareaktionären italienischen Innenministers Salvini oder der österreichischen Regierung Kurz/Strache; die erheblichen Probleme des US-Präsidenten Trump, des türkischen Präsidenten Erdoğan und des britischen Premiers Johnson. Es gibt auch zunehmende Widersprüche im Lager der Herrschenden. Immerhin wurde das Telefonat mit dem ukrainischen Präsidenten Selenskyj von einem CIA-Agenten aufgedeckt. Hier geht es offenbar auch um einen Richtungsstreit um die Taktik innerhalb der Herrschenden. Die Teile des internationalen Finanzkapitals, die auf einen funktionierenden Welthandel angewiesen sind, sind nicht mehr so einfach bereit, die protektionistischen Maßnahmen eines Donald Trump hinzunehmen.

In Zeiten der Wirtschaftskrise wächst erfahrungsgemäß zunächst spontan auch die Suche nach einem individuellen Ausweg oder auch die Sorge um den eigenen Arbeitsplatz. Die ultrareaktionären und faschistoiden oder auch offen faschistischen Kräfte setzen gerade in dieser Situation alles daran, das proletarische Klassenbewusstsein, das Umweltbewusstsein oder auch das internationalistische Bewusstsein mit ihrer Demagogie zu zersetzen. Der verschärfte zwischenimperialistische Konkurrenzkampf wird auch den Sozialchauvinismus der Herrschenden weiter befeuern. Kurzum: Wir sind als Marxisten-Leninisten gefordert, diesen entfalteten Kampf um die Denkweise sehr exakt und differenziert zu untersuchen, zu qualifizieren und auszutragen. Es gilt, systematisch unsere Strategie und Taktik im Klassenkampf und die Strategie und Taktik im Kampf um die Denkweise der Massen mit viel Tiefgang weiterzuentwickeln.

Was reitet denn den Verfassungsschutz, die MLPD „neu zu bewerten“?

Die Herrschenden haben längst ihre Geheimdienste in Marsch gesetzt, um zu warnen vor der von ihnen so bezeichneten „Entgrenzung des (angeblichen) Ex­tremismus“16 in der Mitte der Gesellschaft. Darin sehen sie heute die größte Bedrohung des kapitalistischen Systems. Damit ist in ihrem Jargon nichts anderes formuliert, als dass die Marxisten-Leninisten Masseneinfluss bekommen. Nach einer Innenministerkonferenz im Juni 2019 nahm das Bundesamt für Verfassungsschutz in seinem jährlichen Bericht wörtlich eine „Neubewertung“ der MLPD vor. Sie stufen unsere Mitgliederzahl um fast 60 Prozent hoch, von 1800 auf 2800. Besondere Sorge macht ihnen unsere ideologisch-politische Klarheit. So warnt der Verfassungsschutzbericht vor dem „Potenzial“ unserer „umfangreichen Analysen“, womit wir „als ‚geistige Brandstifter‘“ andere Kräfte „ideologisch ins­pirieren“17 könnten. Wir beobachten seit Mai 2018 einen eingeleiteten konkreten Taktikwechsel gegen die MLPD, der weitere Konturen annimmt. So entschied das Oberlandesgericht Jena, dass es keine strafrechtlichen Ermittlungen geben soll aufgrund der Anzeige, die Stefan Engel erstattet hatte. Sie richtete sich gegen Bundesinnenminister Horst Seehofer, gegen den ehemaligen Verfas­sungsschutzpräsidenten Hans-Georg Maaßen und gegen den Polizisten Dirk Löther. Letzterer war Einsatzleiter der Attacken auf das Rebellische Musikfesti­val und die MLPD an Pfingsten letzten Jahres. Es ist skandalös, dass der Staatsapparat einen Revolutionär wie Stefan Engel, der 37 Jahre lang Vorsitzender der MLPD war und heute der Leiter unseres theoretischen Organs REVOLUTIONÄRER WEG ist, einfach zum Gefährder erklären darf – und ihr willkürliches, illegales Vorgehen bleibt straffrei. Stefan Engel wiederum sollen sämtliche juristische Möglichkeiten der Selbstverteidigung genommen werden. Auch in weiteren Prozessen und Verboten ist auffällig, dass Stefan Engel besonders im Fokus staatlicher und geheimdienstliche Attacken steht. So sollte nach Lesart des Gerichts ausdrücklich er nicht an der Gedenkstätte in Buchenwald sprechen, weil er Bezüge zu heute herstellen wolle. Erst nach heftigen Auseinandersetzungen und einer regelrechten Protestwelle konnte zum Gedenken des 75. Jahrestages der Ermordung Ernst Thälmanns die Veranstaltung der MLPD durchgesetzt werden. Sie wurde zunächst mit einer offen antikommunistischen Begründung verboten. Diese offen antikommunistische Argumentation, die bisher oft hinter formellen Ausflüchten versteckt war, ermöglicht uns wiederum, uns offen und massenhaft damit auseinanderzusetzen, was hierzu auch gut gelang.

Hinzu kommen auch zunehmend faschistische Morddrohungen oder sogar Anschläge gegen führende Repräsentanten der MLPD, vor allem Monika Gärtner-Engel. Aber auch gegen Stefan Engel, Lisa Gärtner und mich gab es eine Morddrohung, in der gedroht wird, uns „komplett auszurotten“ und die „bolschewistische“ Ideologie zu „vernichten“. Hier greifen also die Tätigkeiten verschiedener Akteure ineinander, die das gemeinsame Ziel haben, die MLPD wieder stärker in eine Isolierung zu treiben, zu bekämpfen, einzuschüchtern und letztlich zu liquidieren. Bisher allerdings gehen alle diese Maßnahmen nach hinten los. Hauptsächlich setzen die Herrschenden in Deutschland weiterhin auf ihr System der kleinbürgerlichen Denkweise als hauptsächliche Regierungsmethode – mit seinem Kern des modernen Antikommunismus. Ihnen ist natürlich bewusst, dass diese Methode noch ihre stärkste Bastion ist. Es wirkt allerdings immer weniger, und die Leute werden mit dem modernen Antikommunismus immer besser fertig.

Hat sich die MLPD im Moment nicht ein bisschen viel vorgenommen – zu alledem jetzt auch noch die Kräfte auf Thüringen zu konzentrieren?

Keineswegs, es passt gut, an der Thüringer Landtagswahl – als einem Brennpunkt des politischen Geschehens, auf die als „Testwahl“ wiederum alle schauen – diese Auseinandersetzungen weiterzuführen. Wir haben diesen Wahlkampf von Beginn an für die ganze Partei konzipiert als eine Schule des systematischen Parteiaufbaus. Das erweitert sich jetzt als eine Schule des Kampfes um die gesamtgesellschaftliche Rolle der MLPD im Kampf gegen die antikommunistischen Repressionen. Dieser Landtagswahlkampf findet im Zeichen einer heftigen gesellschaftlichen Polarisierung statt. Hier ist die Vertrauenskrise in die ganze bürgerliche Politik besonders ausgeprägt. Die Monopole bestehen darauf, den Osten als dauerhaftes Niedriglohngebiet zu erhalten. Die Vorschläge, sogar Sonderwirtschaftszonen mit besonderer Rechtlosigkeit, Tarifflucht, weniger sozialen Rechten und Umweltauflagen auszubauen, häufen sich. Letzte Woche ließen die Monopole die Tarifverhandlungen um die 35-Stunden-Woche bei vollem Lohnausgleich provokativ platzen. Die MLPD ist die einzige Partei, die konsequent für die Arbeitereinheit in Ost und West eintritt, was uns viele Pluspunkte bringt. Zugleich kandidieren jedoch 18 Parteien, und es gibt unter den Massen immer noch eine ziemliche Verwirrung, was links, was rechts, was „sozial“ und was bürgerliche oder faschistoide Demagogie ist. Die Internationalistische Liste / MLPD bringt ihre geballte Fachkompetenz, ihre neuen Politikerinnen und neuen Politiker ein. Die MLPD nutzt den Wahlkampf für eine Offensive für den echten Sozialismus und gegen den modernen Antikommunismus.

Benjamin Immanuel-Hoff, Leiter der Staatskanzlei des Ministerpräsidenten Bodo Ramelow von der Linkspartei und einer der Drahtzieher des Verbots der Gedenkaktivitäten in Buchenwald, jammerte neulich in der großbürgerlichen FAZ. Er beklagte die mangelnde Wertschätzung der Herrschenden für die Linkspartei. So sei es doch der wichtige Beitrag der Linkspartei, „dass Ostdeutsche in die Gesellschaft integriert wurden, weil … die heutige ‚Linke‘, sich als sozialistische Partei innerhalb dieser Gesellschaft versteht.“18 Dieses Ankommen im Kapitalismus hat maßgeblich dazu beigetragen, dass die Linkspartei selbst immer mehr in die Krise gerät.

Auch die AfD will übrigens auf keinen Fall das kapitalistische System überwinden. Sie tritt in Thüringen mit dem Faschisten Björn Höcke als Spitzenkandidat an – als Bollwerk des Antikommunismus. Der AfD-Bundessprecher Alexander Gauland erklärte im August in der FAZ, dass er natürlich strikt gegen jede „Revolution“ sei, auch wenn das seine Partei auf Plakaten behaupten würde. Er und seine AfD seien „durch und durch bürgerlich“. Hier hat er – in der Hoffnung auf weitere bürgerliche Anerkennung – ausnahmsweise einmal die Wahrheit gesprochen. Die AfD will nämlich den Protest nur rassistisch, nationalistisch und ultrareaktionär kanalisieren.

Der antifaschistische Kampf und die antifaschistische Aufbauarbeit sind ein wichtiger Schwerpunkt im Wahlkampf in Thüringen. Radikal links, revolutionär und für den echten Sozialismus – das ist das Alleinstellungsmerkmal der MLPD bei diesen Wahlen.

Das gilt es auch noch stärker klar- und herauszustellen im Kampf gegen die perfide sozialfaschistoide und sozialfaschistische Demagogie von Höcke und Co., aber auch der NPD. Die Selbstdarstellung der AfD als „Protestpartei“ zeigt durchaus ihre Wirkung bei einem Teil der Massen mit niedrigem Klassenbewusstsein. Wir müssen restlos entlarven, dass hier eine Partei der Monopole und Großgrundbesitzer ihr demagogisches Unwesen treibt. Auch wenn diese Demagogen besonders lautstark auftreten: Es ist eine Fehleinschätzung, dass diese die allgemeine Stimmung beherrschen würden. Die Mehrheit der Leute ist antifaschistisch, muss aber von uns auch noch bessere Argumente an die Hand bekommen. Ebenso die Leute, die von der AfD beeinflusst sind. Der massenhafte Kampf um die Denkweise, um mit restlos überzeugenden Argumenten diese Demagogie zu zerpflücken, ist derzeit die Hauptaufgabe, um den Anfängen zu wehren!

Natürlich werden viele Menschen auch wieder taktisch wählen. Um die AfD oder die CDU als stärkste Kraft zu verhindern oder denen da oben eins auszuwischen. Das kritisieren wir kameradschaftlich: Man muss aus Überzeugung wählen und das Richtige tun, anstatt sich mit der Rolle als Spielball im bürgerlichen Parteiengeschacher abzufinden. Auf jeden Fall werden wir um jede Stimme kämpfen – und im Parteiaufbau nachhaltig vorankommen. Bevor wir an diese Arbeit gingen, waren wir in Thüringen nur an drei Orten organisiert vertreten. Jetzt sind es bereits 16. Insgesamt machen wir schon an über 30 Orten Wahlkampfaktivitäten. In den letzten Wochen des Wahlkampfes muss der Kampf um jede Stimme noch stärker ins Zentrum rücken!

Bleibt da überhaupt noch Zeit für die theoretische Arbeit?

Es gibt eine sehr enge Durchdringung von praktischer und theoretischer Arbeit, in der die neuen Erscheinungen und wesentlichen Veränderungen qualifiziert werden. Unter der Leitung von Stefan Engel arbeitet die RW-Redaktion intensiv am Band 36 der Reihe REVOLUTIONÄRER WEG: „Die Krise der bürgerlichen Ideologie“. Die theo­retische Arbeit ist ja bei uns nie eine abgehobene Gelehrtendebatte. Sie bezieht sich auf die Fragen, die in der Partei und unter den Massen auszutragen sind. In der bewusstseinsbildenden Aufbauarbeit müssen wir noch besser und intensiver mit dem Organ REVOLUTIONÄRER WEG arbeiten. Darauf ging Stefan Engel ausführlich im Interview mit der Roten Fahne Nr. 15/2019 ein. Dabei müssen wir zurzeit besonders die Waffe der wissenschaftlichen, proletarischen Polemik in die Waagschale werfen. Von anderen Parteien hört man entweder Beschwichtigungen zur Verwischung der Klassengegensätze, üble Demagogie oder allgemeines Gejammer über die Weltlage (die sie selbst verursacht haben). Unser Markenzeichen ist es, jederzeit offen zu sprechen, Ross und Reiter zu nennen, zu polarisieren, tiefgehende, eindeutige und positive Antworten auf die Fragen der Zeit zu geben, die jederzeit vom Arbeiterstandpunkt ausgehen. Die Polemik ist gerade in dieser komplizierten, für viele verwirrenden Situation unabdingbar: um klarzusehen und Klarheit zu verbreiten; um sich zu orientieren und Orientierung geben zu können und mit Perspektive, Selbstbewusstsein und Zuversicht den Kampf aufzunehmen. Das gilt besonders unter der Jugend, wo die marxistisch-leninistischen Ideen noch am wenigsten verankert sind, das Potenzial aber am größten ist. Die weltanschauliche Auseinandersetzung wird ihnen helfen, nicht so leicht zum Spielball der spontanen Entwicklung zu werden – sondern zu selbständig denkenden und handelnden, revolutionären jungen Menschen.

Die Allgemeine Krise des imperialistischen Systems ist auch eine tiefe Krise der bürgerlichen Ideologie, mit all ihren Spielarten wie dem Pragmatismus, Positivismus, Skeptizismus oder Negativismus. Mit dem REVOLUTIONÄREN WEG 36 werden wir eine weltanschauliche Offensive unter den Massen ausrichten, um den modernen, aber auch den offen aggressiven Antikommunismus allseitig zu zerpflücken. Das heißt auch, die Sicherheit in der proletarischen Weltanschauung zu festigen und sie schöpferisch weiterzuentwickeln. Dazu gehört, die angebliche „Ideologiefreiheit“ des staatsmonopolistischen Kapitalismus als Lebenslüge zu entlarven. Diese angebliche Ideologiefreiheit ist ein neues Kampfmittel, um die bürgerliche Ideologie mit Zähnen und Klauen zu verteidigen. Ihre „Freiheit“ endet auch immer exakt dann, wenn die proletarische Ideologie, der Marxismus-Leninismus, ihnen gefährlich wird.

Diese Phase kann durchaus einige Jahre dauern, bis wir uns insgesamt eine gesamtgesellschaftliche Rolle erkämpft haben. Das ist ein großer Selbstveränderungsprozess in unserer Kritik-Selbstkritik-Kampagne, den sich die MLPD derzeit mit großer Bravour erkämpft. Wir können uns also auf ereignisreiche Zeiten freuen!

Vielen Dank für dieses Interview!