Rezension zu "Die globale Umweltkatastrophe hat begonnen!
Rezension der Zeitschrift "Gegenwind" zum Buch "Die globale Umweltkatastrophe hat begonnen!"
Rezension zum Buch von Stefan Engel: "Die globale Umweltkatastrophe hat begonnen!", Gegenwind 423, Dezember 2023
Umwelt, Politik und Gesellschaft
Bereit 2014 erschien das von einem Autorenkollektiv unter der Leitung von Stefan Engel verfasste, in Form und Inhalt neuartig konzipierte Buch: »Katastrophenalarm! Was tun gegen die mutwillige Zerstörung der Einheit von Mensch und Natur?«
Dieses Buch enthält grundlegende Erkenntnisse zur Entwicklung und zu den gesellschaftspolitischen Hintergründen des Zustandes der Umwelt und den durchweg negativen Tendenzen. Es kann auch als eine Aufarbeitung von Defiziten sozialistischer Politik verstanden werden, überwiegend wiederum ein Verdienst von Personen aus dem Umfeld der Marxistisch-Leninistischen Partei Deutschlands (MLPD).
Mit dem jetzt erschienenen Ergänzungsband »Die globale Umweltkatastrophe hat begonnen!« erfolgen eine Aktualisierung, vertiefende Analysen und Begründungen, insbesondere auf der Basis einer weiteren aktuellen Publikation, in der die Rolle der bürgerlichen Naturwissenschaften hinterfragt wird, dem Buch »Die Krise der bürgerlichen Naturwissenschaft«, erschienen Anfang 2023. Der Ergänzungsband nimmt deshalb auch teilweise kritisch Bezug zu verschiedenen früheren Publikationen einzelner Autorinnen und Autoren des bürgerlichen Lagers. Positiv hervorgehoben werden Rachel Carson, eine Pionierin des Schutzes unserer Lebensgrundlagen, die in den 1960er Jahren in ihrem Buch »Der stumme Frühling« zeitig eindringlich über die Gefahren des Pestizideinsatzes informierte, und prinzipiell auch der Club of Rome, der Anfang der 1970er Jahre den Bericht »Die Grenzen des Wachstums« veröffentlichte. Beide Publikationen hatten kurzzeitig einen bemerkenswerten Einfluss auf die politische Debatte. Ein weiterer Akteur, dessen Wirken positiv bewertet wird, ist der ganzheitlich orientierte deutsche Forstwissenschaftler, Peter Wohlleben. Darüber hinaus werden einige Autoren bedeutender Arbeiten zitiert. Differenzierte Kritik gilt unter anderen dem Weltklimarat (IPCC), der UN und auch den Nichtregierungsorganisation Fridays for Future oder Campact. Die zahlreichen traditionellen Umwelt-, Naturschutz- und Tierschutzorganisationen sowie Bürgerinitiativen werden nicht besonders erwähnt. Erste Naturschutzorganisationen gründeten sich bereits Ende des 19. Jahrhundert, Bürgerinitiativen entstanden in den siebziger Jahren des 20. Jahrhunderts. Ihre Arbeit wird also auch nicht kritisiert, ihre politische Rolle jedoch ebenso wie die vieler Wissenschaftler offensichtlich als eher systemstabilisierend betrachtet. Den neuen Gesamtband beschreiben die Autorinnen und Autoren als Ergebnis dialektisch-materialistischer Forschungs- und Erkenntnisfortschritts.
Die Titelwahl kann Verwunderung auslösen, soll sicher die Tatsache der in den letzten Jahrzehnten deutlicher gestiegenen, besonders der als global zu betrachtenden Umweltprobleme in den Focus rücken. Grundsätzlich bleibt es problematisch, Begriffe wie »Krise« und »Katastrophe«, die durchaus ebenso von anderen Autoren verwendet werden, exakt zu definieren. Auch zur politischen und psychologischen Wirkung solcher Begriffe gibt es zumindest unterschiedliche Bewertungen. Die Hauptprobleme sind die fortschreitenden, weitgehend an ungleichen Machtverhältnissen gebundenen massiven, in den letzten Jahrzehnten noch verstärkten Energie- und Gesamtressourcenverbräuche mit ihren negativen Auswirkungen auf die Landschaften und die Böden, auf die Luft, die Gewässer, auf Tiere und Pflanzen und auf die betroffenen Menschen. Hinzu kommen enorme monetäre Belastungen. Zum Artensterben sind in den letzten Jahren spezielle Publikationen, wie »Das Ende der Evolution« von Matthias Glaubrecht, erschienen.
Die Auswirkungen auf Natur, Umwelt und auf Menschen können in den verschiedenen Regionen der Welt, aber auch lokal, sehr unterschiedlich sein. Deshalb sind differenzierte Betrachtungen notwendig. Viele Entwicklungen sind nur schwer durchschaubar, viele Entscheider sind selbst überfordert und haben zudem meist wenig Interesse an Transparenz, die, zur Sicherung ihrer Macht und Profitinteressen, deshalb durch Propaganda verhindert werden soll. Dies gilt prinzipiell auch für Gegen- und Schutzmaßnahmen, deren Wechselwirkungen nicht erkannt oder missachtet werden und deshalb zu neuen Problemen oder zur Verlagerung von Problemen führen.
Zu den Begrenzungen von negativen Auswirkungen wirtschaftlicher Tätigkeiten zeigt das Buch zahlreiche Möglichkeiten und Notwendigkeiten auf. Dies sind insbesondere die internationale, sozialistische Ausrichtung, die Förderung einer bewussten Lebensweise im Einklang mit der Natur, der Auf- und Ausbau einer umfassenden Kreislauf- und Regionalwirtschaft, die Zurückdrängung der monopolistischen Agrarwirtschaft mit ihrer industriellen Fleischproduktion und der Monokulturen, die Umsetzung von Renaturierungskonzepten, der Widerstand gegen Krieg und Vertreibung. Darüber hinaus werden zahlreiche konkretere Maßnahmen genannt und beschrieben. Entscheidend ist selbstverständlich die Umsetzung der Strategien und Maßnahmen. Dabei ergibt sich das grundsätzliche Dilemma, dass kleine und mittlere Maßnahmen eher zur Stabilisierung der gesellschaftlichen Verhältnisse beitragen, umfassende Maßnahmen prinzipiell nur durch gesellschaftliche Transfomationen, gesellschaftsverändernden Kämpfe, gelingen können. Die Schlussfolgerung wäre eine abgestimmte Doppelstrategie möglichst vieler Akteure, die sich durchaus aus den Inhalten des Buches ableiten lässt.
Da die Rolle der Wissenschaften ist zweifelhaft, unzureichend und sie bewegt sich sogar in die falsche Richtung, wie besonders deutlich der Einsatz von Pestiziden zeigt, der in den besprochenen Publikationen ausführlich dargestellt wird. Auch deshalb ist es außerordentlich wichtig, ja unverzichtbar, Laien, insbesondere Betroffene, in Entscheidungsprozesse mit einzubeziehen. Dies muss in offenen Diskursen mit echter Mitbestimmung geschehen. Der Mangel an Transparenz und die Nichtberücksichtigung von Betroffenen, von Arbeitnehmern, von Vertretern des Natur- und Tierschutzes ist eklatant. Insbesondere zur Energiefrage sind dauerhafte und unproblematische Lösungen selbst dann nicht vorhanden, wenn der Wachstumsfetischismus halbwegs beherrscht werden kann. Deshalb geht es schließlich darum, den gesamten Ressourcenverbrauch drastisch zu reduzieren, einschließlich des Flächenverbrauchs, um zumindest die Nahrungsmittelversorgung und die Versorgung mit nachwachsenden Rohstoffen zu sichern. Die beabsichtigte Durchführung einer neuen Umweltkonferenz könnte dazu einen wichtigen Beitrag leisten. Es kommt allerdings darauf an, eine richtige Auswahl von Themen und Akteuren zu treffen.
Klaus Peters
Engel, Stefan / Gärtner-Engel, Monika / Fechtner, Gabi: »Die globale Umweltkatastrophe hat begonnen«, 131 Seiten, 2023, 14,50 Euro