Hintergrundgespräche Teil 5
Zur Amtseinführung von Trump
Hintergrundgespräch von Celina Jacobs (Rote-Fahne-TV) mit Stefan Engel zur Amtseinführung von Donald Trump - Hintergrundgespräch Teil 5
Celina Jacobs (Rote-Fahne-TV): Heute ist die Amtseinführung von Donald Trump in den USA. Zu diesem Thema begrüße ich heute Stefan Engel zum Hintergrundgespräch. Stefan, welche Bedeutung hat dieser Tag?
Stefan Engel: Dieser Tag kann eine Zäsur in der Geschichte der modernen Gesellschaften werden.
Immerhin ist Trump ein erklärter Faschist, der relativ skrupellos, nicht nur in Worten, sondern auch in Taten, die Interessen der Herrschenden in den USA verficht. Es ist interessant, dass Trump sich nicht scheut, die Leute zu beschimpfen, sie mit Fake News zu übergießen aber mit großmäuligen Ankündigungen auch die schlimmsten Anfeindungen gegen irgendwelche politischen Gegner vorträgt. Es ist eine neue Ära, weil es auch die reaktionäre Wende hin zum Faschismus weltweit befördert.
Trump ist der Anführer dieser reaktionären Bewegungen, und man kann überall beobachten, wie die Faschisten dem Trump zujubeln und selbst daraus Vorteile ableiten. Ich erinnere an die AfD, der Co-Vorsitzende Weidel, die ihm sofort zugejubelt hat und in Trump den neuen Hoffnungsträger sieht. Es ist auch interessant, dass die Faschisten in der ganzen Welt seine Slogans kopieren.
»Make America Great Again« wird überall variiert. Jeder muss jetzt sein eigenes Land hervorheben. Und das führt natürlich auch dazu, dass diese faschistische Ideologie sich verbreitet.
Die Zäsur von Trump hat weltanschauliche, politische, wirtschaftliche und militärische Folgen. Weltanschaulich ist es auf jeden Fall so, dass die faschistische, völkische Ideologie wieder salonfähig gemacht wird und damit auch die brutale Unterdrückung zur Durchsetzung politischer und ökonomischer Interessen der Herrschenden und zur Unterdrückung Andersdenkender, insbesondere auch der revolutionären Arbeiterbewegung. Ökonomisch bringt er die ganze Weltordnung durcheinander.
Die Neuorganisation der internationalen Produktion ist ja seit der vorletzten Weltwirtschafts- und Finanzkrise 2008 in eine tiefe Krise geraten. Die Krise besteht unter anderem darin, dass jetzt nicht in erster Linie gleiche Bedingungen für den Konkurrenzkampf geschaffen werden, sondern jedes Land seine Bedingungen zu seinen Gunsten verändert. Da kann natürlich die Supermacht USA viel machen. Mit ihrer angekündigten Zollpolitik bringen sie alles durcheinander. Wenn die ankündigen, China mit bis zu 100 Prozent der Steuern zu belegen, auch Europa mit 10 bis 20 Prozent Steuern drohen, dann hat das massive wirtschaftliche Auswirkungen. Das heißt, Trump versucht, mit dieser Zollpolitik die ausländische Konkurrenz, die in die USA eindringt, etwas abzudämpfen, um seine eigenen Produkte höher zu bewerten.
Natürlich ist die Politik, die er betreibt, auch problematisch, weil das die Preise weltweit hochtreibt. Es wird einen neuen Inflationsschub geben, und es ist interessant, dass alle Börsen so reagieren, dass sie sich erst einmal im Aufwind befinden. Also es ist nicht so, dass sie jetzt Angst haben und Aktien herausnehmen. Das Gegenteil ist der Fall, das spekulative Kapital feiert Trump regelrecht.
Politisch ist es so, dass Trump eigentlich die bisherigen Bündnisse, die geschmiedet wurden mit Europa und der EU, mehr oder weniger in Frage stellt oder anders darstellt. Er bevorzugt bilaterale Bündnisse, wo die USA in erster Linie ihren Vorteil festschreiben und dann kann der Partner sehen, wo er bleibt.
Das ist natürlich problematisch für die EU, die sehr stark an den USA ausgerichtet ist, aber auch für alle anderen Länder, Lateinamerika, Afrika, Asien.
Militärisch ist es so, dass die Infragestellung der NATO auch etwas mit dem Alleinherrschaftsanspruch der USA zu tun hat. Sie wollen künftig ihre Truppen nicht in erster Linie einsetzen, um Bündnisse zu beschützen, sondern um die amerikanische Politik durchzusetzen. Und das ist sehr fragwürdig. Das nützt einerseits der amerikanischen Rüstungsindustrie, ist aber auch ein Hinweis darauf, dass die USA vorhat, sich militärisch auf größere Auseinandersetzungen vorzubereiten. Das heißt, diese militärischen Ankündigungen von Trump führen auf jeden Fall zu einer Verschärfung der allgemeinen Kriegsgefahr, insbesondere der Gefahr eines Dritten Weltkriegs.
Es ist schon angekündigt worden, dass man mit Iran anders verfahren müsse wie bisher, wo sie nur zwei Attacken von Israel erlebten, sondern da wird richtig ein Krieg vorbereitet. Und mit China, da werden die chinesischen Ambitionen auf Taiwan wie ein Angriff auf den Westen bezeichnet,. Hinzu kommt, dass von Trump inzwischen, und das hat er vor allem nach den Wahlen sehr stark thematisiert, regelrechte Annexionsbestrebungen verkündet wurden. Kanada wird schlicht zum 51. Bundesstaat der USA erklärt, Grönland soll künftig zu den USA und auch der Panama-Kanal soll künftig wieder unter die Kontrolle der USA fallen. Das ist alte imperialistische Politik, die ja eigentlich mit dem Zeitalter des Neokolonialismus vorüber ist.
Man muss auch sagen, dass die Annexionspolitik von Putin vorgemacht hat, wie man Gebietsansprüche militärisch durchsetzt. Oder Israel macht das ja ähnlich. Die wollen sich regelrecht Gaza zumindest ein Stück weit oder ganz einverleiben oder das Westjordanland oder einen Teil von Syrien, einen Teil vom Libanon. Diese Annexionspolitik kommt wieder hoch und damit auch alte imperialistische Merkmale, die alle zur Verschärfung der Kriegsgefahr führen, weil sie die Souveränität selbständiger Staaten berühren.
Celina Jacobs (Rote-Fahne-TV): Du hast jetzt Donald Trump auch als Faschisten bezeichnet. Das ist ja auch die Meinung der MLPD. Aber wenn ich jetzt in die Zeitung sehe oder in die Tagesschau, die bürgerlichen Medien sehen das nicht so. Die haben ihn jetzt meines Wissens bisher noch nicht als Faschisten bezeichnet.
Stefan Engel: Hier herrscht in der bürgerlichen Geschichtsschreibung eine Fehlinformation vor, was eigentlich Faschismus ist. Für sie ist Faschismus gleich Hitler-Diktatur. Aber der Faschismus ist ja eigentlich definiert als die brutalste terroristische Herrschaftsform zur Durchsetzung der Diktatur der Monopole. Und diese brutalen Unterdrückungsmaßnahmen stehen im Vordergrund. Natürlich werden auch dort Betrugsinstrumente instrumentalisiert. Aber dieser Terror steht im Mittelpunkt. Und der Faschismus, wie er heute auftritt - ich würde ihn als modernen Faschismus bezeichnen - zieht er es vor, sich demokratisch zu geben. Er beteiligt sich an Wahlen, sucht nach parlamentarischen Mehrheiten, bedient Begriffe, die demokratisch klingen wie »Meinungsfreiheit«. Also, wenn sie die faschistische Ideologie verbreiten, dann beanspruchen sie die Meinungsfreiheit oder demokratische Rechte und Freiheiten oder das Recht, ihr Land zu verteidigen, wenn die Migranten ins Land eindringen und so weiter. Das hört sich alles sehr demokratisch an. Man muss aber den Gehalt genauer untersuchen. Und in Wirklichkeit geht es um eine extrem rassistische, nationalistische und faschistische Politik, die hier verbreitet wird, die nur durch demokratische Floskeln verbrämt wird. Es wird die Zeit kommen, da werden diese brutalen Herrschaftsmethoden nach innen und außen auch zum Ausdruck kommen.
Wir haben es ja bei der Amtseinführung von Trump nicht einfach nur mit einem Regierungswechsel zu tun, sondern es ist auch ein Wechsel der Herrschaftsformen, der sich hier anbahnt, noch nicht vollständig durchgesetzt ist, aber der im Grunde genommen der eigentliche Gehalt ist. Und das hat weltweite Auswirkungen. Man muss auch sehen, dass Trump seine neue Amtsführung schon entsprechend vorbereitet hat. Der erste Schritt war, dass er den obersten Gerichtshof, den Supreme Court mit Trump-Anhängern besetzt hat. Die haben dann gleich verkündet, dass Trump für alles, was er in seiner Amtsführung durchführt, nicht bestraft werden darf. Insofern kann er auch solche Aufstände organisieren wie bei der Amtseinführung von Biden vor vier Jahren.
Der zweite ist das Umschalten der Medien. Die großen Internetkonzerne sind alle umgeschwenkt auf die Unterstützung von Trump. Zunächst erstmal Twitter, Facebook und so weiter. Und wirwerden auch von den Medien eine andere Art der ausgerichteten sozialfaschistischen Demagogie erleben. Das dritte, was auffällig ist, dass er schon im Vorfeld bei der Auswahl seines Kabinetts wirklich die reaktionärsten, faschistischsten Rassisten ausgesucht hat, die wirklich 100 Prozent mit Trump übereinstimmen. Allein in der Auswahl dieses Kabinetts wird deutlich, was er vorhat. Es ist nicht vergleichbar mit der ersten Amtsperiode von Trump, wo er noch ein bisschen vorsichtig agiert hat und noch mehr den demokratischen Mantel über seine Amtsführung gelegt hat. Jetzt wird es viel offener, reaktionärer, faschistischer. Es wird sich zeigen, was das in der Welt alles auslöst.
Ich gehe davon aus, dass wir eine sehr finstere Zeit des Imperialismus erleben werden, wo man mit allem rechnen muss.
Celina Jacobs (Rote-Fahne-TV): Stefan, du bist gerade darauf eingegangen, dass wir nicht erwarten können, dass die nächste Amtszeit von Trump einfach eine Wiederholung seiner ersten wird. Was können wir politisch von der neuen Trump-Regierung erwarten?
Stefan Engel: Umweltpolitisch ist Trump das letzte Mal aus dem Klimaabkommen ausgetreten, diesmal wird er es nicht dabei belassen. Er hat angekündigt, eine regelrechte Offensive durchzuführen, um fossile Rohstoffe wieder stärker zu fördern und auch einzusetzen. Auch was die Atomkraftwerke betrifft, wird er aggressiver vorgehen. Er hat ja nicht umsonst diesen extremen Klimaleugner zu seinem neuen Energieminister auserkoren. Wir werden also eine Verschärfung der Umweltkrise erleben.
Wir werden aber auch eine gigantische Aufrüstung erleben, das ist auch nicht wie bisher. Die USA haben schon immer viel aufgerüstet und schon immer einen hohen Anteil ihres Haushalts für ihr Militär ausgegeben. Aber was da jetzt zu erwarten ist, wird das in den Schatten stellen.
drittens fällt mir auf, dass er diesen Slogan von der »Remigration« von Flüchtlingen, das ja in Deutschland immerhin dazu geführt hat, dass Millionen auf die Straße gegangen sind, durchführen will. Er will seine Armee einsetzen, um Millionen von Flüchtlingen wieder aus dem Land zu treiben, oder Leute, die seit Jahren schon da sind, in Arbeit stehen oder sich integriert haben, wohnen, die Kinder dort aufgewachsen sind. Da wird einiges zu erwarten sein. Und wenn das passiert, kann man davon ausgehen, dass das ein Signal weltweit ist, diese Politik zu verschärfen. Ich meine, Weidel hat nicht umsonst angekündigt, dass »Remigration« jetzt auch zu ihrem Wahlprogramm gehört. Das hätte sie sich vor zwei Jahren noch gar nicht getraut. Also man sieht, wie dieser Faschismus zunimmt und immer rücksichtsloser wird. Das wird sich vor allem ändern.
Trump hat auch angekündigt, dass er sich rächen will an allen Leuten, die ihm widersprochen haben, die ihn vor Gericht gebracht haben, die im Wahlkampf gegen ihn gekämpft haben. Das ist ja auch eine Methode, die eigentlich in der bürgerlichen Demokratie nicht üblich ist, dass man politische Gegner bestraft für ihre Gegnerschaft. Hier wird man sehen, was das wird. Das alles ist auch immer damit verbunden, dass er alle als Kommunisten bezeichnet. Auch Joe Biden und Kamala Harris hat er als Kommunisten bezeichnet. Er bezeichnet jeden als Kommunisten, der ihm widerspricht. Dieser aggressive Antikommunismus, den Trump da vertritt, der ist auch sehr typisch und der wird auch zunehmen. Das war in seiner letzten Legislaturperiode auch vorhanden. Aber diesmal hat er das schon sehr stark in seinem Wahlkampf zugespitzt. Wir werden also eine stärkere antikommunistische Aggression erleben.
Celina Jacobs (Rote-Fahne-TV): Also wir haben hier eine regelrechte internationale faschistische Gefahr.
Welche Schlussfolgerungen muss man jetzt daraus ziehen?
Stefan Engel: Der Kampf gegen den Faschismus rückt in den Mittelpunkt des Klassenkampfs. Die Arbeiterbewegung muss international verhindern, dass der Faschismus weiter zunimmt und dafür sorgen, dass die bürgerlich-demokratischen Rechte und Freiheiten verteidigt werden. Das ist für die Entwicklung des Klassenkampfs sehr bedeutend. Der Kampf um die bürgerlich-demokratischen Rechte und Freiheiten hat sogar strategische Auswirkungen für den Kampf der Arbeiterklasse,,weil sich kein sozialistisches Bewusstsein unter solchen Bedingungen richtig frei entfalten kann. Hinzu kommt, dass man dem Kampf gegen Militarismus und gegen die Umweltzerstörung, auch eine andere Dimension gibt. Und der Kampf gegen Faschismus ist natürlich sicherlich auf der einen Seite in erster Linie eine weltanschauliche Auseinandersetzung gegen diese völkische, rassistische, nationalistische Ideologie. Aber sie wird immer mehr auch politisch werden mit dem, was Trump jetzt vorhat.
In der Situation ist natürlich die Überzeugungsarbeit unter den Massen wichtig. Aber es ist auch wichtig, dass wir verstehen, mehr Bündnisse zu machen, viel, viel breitere Bündnisse gegen den Faschismus. Da muss man die neue Situation richtig begreifen. Es geht um Bündnisse mit Leuten, die man vielleicht bisher gar nicht in die Bündnisarbeit einbeziehen wollte. Bis in die Sozialdemokratie, die Gewerkschaftsführung, in bürgerliche Parteien hinein, muss diese Offenheit für eine antifaschistische Bündnisarbeit entwickelt werden. Dazu müssen wir auch ein bisschen umdenken. Wir haben bei uns in der Partei immer noch oft eine Tendenz, das ein bisschen zu eng zu fassen und auch den Kampf gegen Faschismus zu unterschätzen. Wir hatten ja jetzt in Riesa eine gute Auseinandersetzung mit der AfD. Das hat gut geklappt. Wirklich hervorragend war hier die Zusammenarbeit der verschiedenen antifaschistischen Kräfte. Das war ein Riesenfortschritt, das hat besser geklappt als vorher.
Aber man muss auch sagen, dass diese antifaschistische Bewegung noch Schwächen hat. Die Schwächen bestehen insbesondere darin, dass sie sich noch zu wenig an die breite Masse richtet. Blockaden sind eigentlich keine Methode, die die Massen beeinflusst. Da wurden Demonstrationen durch die Stadt durchgeführt, da haben die Leute das Fenster nicht aufgemacht. Die wurden vorher schon verhetzt: »Da kommen die Linksextremen aus ganz Deutschland, macht eure Fenster zu«. Die Polizei hat schon richtig demonstrativ ihre Polizeieinheiten zwischen den Demonstrationen und die Wohnhäuser gestellt, »wir schützen euch vor diesen Leuten«.
Wir müssen aufpassen, dass wir mehr den Boden bereiten. Das haben wir in Gera gut gemacht. Da haben wir uns vor allem an die Bevölkerung gerichtet, haben dann auf dieser Grundlage Demonstrationen durchgeführt und eine Kundgebung, das hatte eine ganz andere Wirkung. Das muss die antifaschistische Bewegung lernen. Ansonsten haben wir viel dazugelernt, was die Bündnisarbeit betrifft, und hat auch insgesamt die antifaschistische Bewegung dazugelernt. Es gab viel weniger oder völlig unbedeutende Versuche, diese antifaschistische Einheit zu verhindern oder irgendwelche Leute auszugrenzen, die der einen oder anderen politischen Richtung nicht genehm sind.
Celina Jacobs (Rote-Fahne-TV): Vielen Dank, Stefan, für das Gespräch. Das war auf jeden Fall viel Stoff zum Nachdenken.
Stefan Engel: Danke ebenfalls.
Celina Jacobs (Rote-Fahne-TV): Und ich hoffe natürlich auch, dass das bei den Zuschauerinnen und Zuschauern heute das Interesse geweckt hat.